Mars
nkchen.
» Haben wir beim Fr ü hst ü ck vergessen « , sagte er und reichte Jamie die Flasche.
» Stimmt. « Jamie sch ü ttelte eine der orangefarbenen Pillen heraus. » Darf ich dann auch Familie Feuerstein sehen? «
Wosnesenski runzelte verbl ü fft die Stirn. » Das ist kein Scherz. In unserer Kost sind viel zu wenig Vitamine; wir bekommen kein Sonnenlicht auf die Haut. Die Erg ä nzungspr ä parate sind notwendig. «
» Au ß erdem steht es in den Missionsvorschriften « , scherzte Jamie.
Er steckte die Pille in den Mund und sp ü lte sie mit dem letzten Schluck Kaffee in seinem Becher hinunter. Gott, was g ä be ich f ü r eine Tasse echten Kaffee statt dieser Pulverpl ö rre!
Dann sah er, da ß das Sonnenlicht bereits schr ä g durch das Kanzeldach des Cockpits in den Rover fiel.
» Kommen Sie, Mikhail, wir verschwenden Zeit. «
Sie brauchten alle vier H ä nde, um das Gurtgeschirr ü ber Jamies Tornister und durch seinen Schritt zu ziehen und es dann ü ber der Brust festzuzurren. W ä hrend der Russe an der Winde Wache hielt, lie ß Jamie sich vorsichtig an der steilen Felswand der Klippe hinab. Tief, tief unten hingen noch ein paar hartn ä ckige Nebelf ä den an den Felsen, grau und geisterhaft, hoben und senkten sich langsam wie lange Meereswellen oder die Brust eines schlafenden Riesen.
Die gegen ü berliegende Wand des Canyons war nicht zu sehen, lag hinter dem Horizont. Statt des Gef ü hls, in einer Falle zu sitzen, das ihm im Noctis Labyrinthus zu schaffen gemacht hatte, kam es Jamie nun so vor, als stiege er an der Felswand einer heimatlichen Mesa ab. Der gr öß ten Mesa, die je ein Mensch gesehen hat, sagte er sich, als er zwischen seinen frei in der Luft h ä ngenden F üß en hindurch zu dem kilometerweit unter ihm liegenden Boden hinunterschaute.
Wenn wir hier in New Mexico w ä ren, l ä ge die andere Seite dieses Canyons in Neufundland.
Jamie mu ß te sich bewu ß t zwingen, seine Aufmerksamkeit auf das Abschlagen von Steinproben zu konzentrieren. Trotzdem dachte er ü ber die Welt auf dem Grund der gr öß ten Schlucht des Sonnensystems nach, w ä hrend er im Geschirr baumelnd mit seiner Arbeit begann. Wir haben nicht damit gerechnet, da ß es im Sommer Nebel geben w ü rde, haben nicht geglaubt, da ß daf ü r genug Feuchtigkeit in der Luft w ä re. Unten im Hellas-Becken, ja. Aber hier nicht. Ich w ü nschte, wir h ä tten Proben von dem Zeug nehmen k ö nnen. Vielleicht sind es Eiskristalle. Aber es sieht nicht wie Eisnebel aus. Andererseits, woran soll man das erkennen? Hier herrschen andere Gesetze, oder zumindest andere Bedingungen. Im Bodenbereich des Canyons mu ß es ein ganz anderes Ö kosystem geben als jenes, das wir an der Oberfl ä che sehen. Vielleicht ist die Luft da unten dichter. Feuchter. W ä rmer. Vielleicht gibt es da unten Leben, das sich in warmen kleinen Nischen verbirgt – wie unsere Vorfahren, die in H ö hlen gehaust haben.
Hier hätten wir unser Basislager aufschlagen sollen, nicht auf dieser langweiligen Ebene. Dann hätten wir unsere Zeit damit verbringen können, den Canyon zu erforschen. Diese alte Furche im Boden hat uns mehr zu erzählen als jeder andere Ort auf dem Mars.
Jamie, der in seinem Geschirr ein paar Meter unterhalb des Randes der Schlucht und viele Kilometer über ihrem dunstigen Grund schwebte, war froh darüber, daß diese Felswände sich grundlegend von denen in den Badlands von Noctis Labyrinthus unterschieden. Dort hatten sie aus einem einheitlichen Stück eisenroten Steins bestanden. Hier waren sie geschichtet, Lage um Lage, so verwittert und gefurcht wie die Mesas daheim, informative Seiten eines versteinerten Buches, das demjenigen, der die Fähigkeit und die Geduld besaß, es zu lesen, die ganze Geschichte dieser Welt erzählte.
Die oberste Schicht der Felswand, unmittelbar unter der ü berlagernden Gesteinsschicht, war beinahe weich gewesen, das Gestein br ö ckelig, leicht loszubrechen. Auf der Erde w ä re es von Wind und Regen im geologischen Handumdrehen abgetragen worden. Aber hier auf dem trockenen, ruhigen, sanften Mars konnte es ä onenlang ungest ö rt bleiben, wo es war; nur die langsame Erosion durch die Sonnenw ä rme und die n ä chtliche K ä lte w ü rde es irgendwann zerbrechen. Trotzdem gab es kein Wasser in dieser Schicht, darauf w ä re Jamie jede Wette eingegangen. Nicht einmal Permafrost. Sonst h ä tte die Ausdehnung und Kontraktion des Wassers im Verlauf des Tag-und-Nacht-Zyklus einen solch kr ü
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