Marschfeuer - Kriminalroman
Fleischküchle machst. Extra für ihn.«
Lyn biss die Zähne
zusammen. Sie hatte die Frikadellen nur gemacht, weil Sophie sie tagelang
vorher angebettelt hatte, wissend, dass der geliebte Vater sie zu gern aß.
»Da kommen Papa und
Miriam«, rief Sophie freudig aus und deutete durch die Butzenscheiben des
kleinen Küchenfensters. »Schade, dass sie heute schon wieder fahren müssen.«
Lyn betrachtete das
Paar, das sich auf dem schmalen Friedhofsweg näherte. Eng umschlungen, strahlend.
Jetzt küsste er sie auch noch.
»Wirklich schade«,
murmelte Lyn.
Eine halbe Stunde später
saßen sie um den Esstisch versammelt. Bernd Hollwinkel rieb sich mit der linken
Hand den Bauch, während er mit der Fleischgabel in der rechten seine vierte
Frikadelle von der Platte aufspießte. »Also ehrlich, Lyn, deina Fleischküchla
worn echd einsa.« Er grinste sie über den Tisch hinweg an.
Lyn lächelte. »Klei mi
an Moors.«
Miriam kicherte.
»Lustig, dieses Plattdeutsch. Was hieß das jetzt?«
Lyns Lächeln vertiefte sich.
»So viel wie ›Danke für das Kompliment‹.«
»Wer’s glaubt«, brummte
Bernd Hollwinkel und griff nach der letzten Frikadelle.
»Berni, muss das sein?«,
tadelte Miriam ihn mit vorwurfsvollem Blick auf den Fleischklops. »Nachher
passt du nicht in deinen Hochzeitsanzug.« Im gleichen Moment schlug sie sich
auf den Mund und drehte sich mit einem Lächeln, das, so mutmaßte Lyn, unsicher
wirken sollte, zu ihrer Vorgängerin um. »Entschuldige, Lyn. Ich weiß immer
nicht, ob du das hören magst …« Mit ihrer Hand strich sie über Lyns Unterarm.
Einen winzigen Moment
erschien vor Lyns geistigem Auge das Bild von Miriams Hand. Festgetackert auf
der Tischplatte, mit der Fleischgabel. Sie löschte die stimmungsvolle Phantasie
schnell aus. »Herrgott, Miriam, ihr könnt in Timbuktu Schneebälle stricken oder
heiraten. Das ist mir egal. Ich wünsche euch beiden alles Gute. Dir und Berni .« Sie schenkte den beiden ein reizendes Lächeln und
hob ihr Glas. »Auf euch!«
Sie übersah
geflissentlich Charlottes skeptischen Blick und freute sich für Sophie, die mit
strahlendem Lächeln ihr Glas an das ihres Vaters und ihrer zukünftigen
Stiefmutter klingen ließ und sichtlich froh war, dass ihre Mutter die Sache so
leichtnahm.
»Dann begleitest du die
Mädchen also im Juli zu unserer Hochzeit?«, fragte Bernd Hollwinkel mit vollem
Mund. »Wir würden uns freuen, nicht wahr, Miri?« Er streichelte über die Hand
seiner Verlobten.
Lyn zwang ihren Blick
von der Fleischgabel. »Bis dahin fließt ja noch ein wenig Wasser die Elbe
runter«, sagte sie und nahm einen kräftigen Schluck Rotwein.
Nichts stand so fest wie
die Tatsache, dass sie keinen Fuß nach Bayern setzen würde, um zu sehen, wie
die dicke Miri Bernd Hollwinkel das Jawort entgegenhauchte.
ZEHN
»Frau Harms! Was kann
ich am frühen Montagmorgen für Sie tun?« Paul Lindmeir stand hinter seinem
Schreibtisch auf und reichte Lyn die Hand, als sie näher kam. »Möchten Sie
einen Kaffee? Frau Drochtersen kocht den besten Kaffee der Welt.«
»Sie Glücklicher«,
lachte Lyn auf, »da hätte unser Kommissariat eine Sekretärin im Tausch
anzubieten. Allerdings zu Ihren Ungunsten.«
»Nein danke«, wehrte er
kopfschüttelnd ab, drückte einen Knopf der Telefontastatur und orderte zwei
Tassen Kaffee.
Lyn stellte fest, dass
er schlecht aussah, wesentlich schlechter als bei ihrem letzten Besuch.
Erschöpfung spiegelte sich in seinen blassen Gesichtszügen wider, und es
schien, als sei sein gepflegter Wangenbart grauer geworden. Vielleicht fiel
aber auch nur das Licht anders auf sein Gesicht. Maisonne drang von außen durch
die großen Fenster, und in ihrem Strahl flirrten Staubpartikel durch den Raum.
»Ich hoffe, unsere
Kollegen vom K3 stören Sie nicht zu sehr in Ihrer alltäglichen Arbeit«, sagte
sie, nachdem die Sekretärin zwei Tassen dampfenden Kaffees vor ihnen abgestellt
hatte, »aber Sie verstehen, dass wir uns einen genauen Überblick über die
Werft-Geschäfte verschaffen müssen?«
»Selbstverständlich.« Er
nickte gelassen.
Und er hatte allen Grund
dazu, wie Lyn wusste. Die Kollegen, die die Bilanzen und Konten seit Tagen
prüften, hatten bisher keinerlei Unkorrektheiten entdeckt. In den Büchern der
Jacobsen-Werft herrschte preußische Disziplin und Ordnung.
»Wir haben bei der
Überprüfung der telefonischen Kontakte Hinrich Jacobsens während seines
Aufenthaltes in Groningen festgestellt, dass er am Montagabend vom Eden City
Hotel
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