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Marschfeuer - Kriminalroman

Marschfeuer - Kriminalroman

Titel: Marschfeuer - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Denzau
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Timing.« Ihr Blick glitt über das
ausgestorbene Werftgelände. Nur vom Neubau auf dem Helgen klangen vereinzelt
metallene Geräusche herüber.
    »Perfektes Timing«,
antwortete Hendrik, »ich habe mich extra bei Lindmeirs Sekretärin nach dem
Beginn der Versammlung erkundigt.«
    Lyn sah ihn zweifelnd
an. »Du willst an der Betriebsversammlung teilnehmen? Sag da bloß nichts
Unüberlegtes. Der Staatsanwalt …«
    »Der Staatsanwalt … der
Staatsanwalt …«, fuhr Hendrik ihr gereizt über den Mund, »wenn du Schiss vor
Meier hast, hättest du ja nicht mitkommen müssen.«
    »Ich denke ja bloß an
unseren armen Chef. Der hatte schon genug Schwierigkeiten.«
    »Was er nicht weiß,
macht ihn nicht heiß.«
    »Hat vermutlich deine
Oma immer gesagt?«
    »Das sagt sie noch. Oma
Klärchen lebt schließlich noch. Einundachtzigjährig und quietschmunter im
Seniorenstift. Sie würde dich übrigens auch gern kennenlernen.«
    Lyn hielt abrupt im
Gehen inne. »Du bist … du hast …«
    »Ja, ich habe. Und bevor
du nicht bei deiner Familie klar Schiff gemacht hast, gibt es dazu nichts mehr
zu sagen.« Mit großen Schritten ging er voraus. Lyn blieb stehen, denn ihr
Handy klingelte.
    »Das ist Jochen«, rief
sie Hendrik hinterher, als sie die Nummer auf dem Display erkannte, »ich hatte
ihn gebeten, mich gleich anzurufen, wenn sie das frische Beet auf dem
Kleingartengelände in Wewelsfleth aufgegraben haben.«
    Hendrik drehte sich um
und verdrehte die Augen, als Lyn ein enttäuschtes »Mist!« von sich gab.
    »Na? Kein Hühner-Waldi
in Sicht?«, fragte er.
    Lyn steckte das Handy in
ihre Jackentasche zurück. »Ein Grab war es schon. Das Grundstück gehört
ebenfalls dieser Uschi Soundso, du weißt schon, der Grundstücksnachbarin von
Waldemar Pankratz. Jochen sagt, sie hat die ganze Zeit geheult, als sie gebuddelt
haben.« Sie verzog die Lippen zu einem schiefen Grinsen. »Uschi hat ihren toten
Bernhardiner da begraben. Sie wollte nicht, dass er beim Abdecker landet.«
    »Jochens Empathie ist
ihr auf jeden Fall sicher. Ich sage nur: Kater Micki.« Sie hatten die Schiffbauhalle
erreicht. »Schreiten wir zur Tat«, murmelte Hendrik, hielt die metallene Tür
für Lyn auf und folgte ihr dann die Treppe zur Kantine hinauf. An der
Kantinentür ließ Lyn Hendrik den Vortritt.
    Die Betriebsversammlung
war gut besucht. An die hundert Werftmitarbeiter– von der Sekretärin bis zum
Schlosser– saßen in Stuhlreihen vor dem langen Tisch an der Fensterfront, den
sich der Betriebsrat und die Geschäftsleitung teilten.
    Lyn rümpfte die Nase. In
der stickigen Luft kämpften Schweiß, Schmiere und penetrantes Parfum um die
Vorherrschaft. Paul Lindmeir hatte gerade das Wort. Er sprach über den
Auslieferungstermin der Jacht und hielt erst inne, als sich Gemurmel im Raum
ausbreitete. Er sah auf und seine Augenbraue ruckte nach oben, als er Lyn und
Hendrik erkannte.
    »Wir sind in der
Betriebsversammlung, wie Sie vielleicht sehen.« Seine Stimme war höflich, aber
bestimmt. Er blickte auf seine Armbanduhr. »In frühestens einer Stunde kann ich
für Sie da sein.«
    Hendrik lief seitlich an
den Stuhlreihen mit den Werftarbeitern vorbei. Am Tisch blieb er stehen. »Wir
sind gleich wieder verschwunden. Es gibt auch nichts Persönliches, Herr
Lindmeir. Ich würde nur gern eine Frage an die Allgemeinheit stellen.«
    Er wandte sich der
Belegschaft zu. »Ich habe eine Bitte an Sie alle, zugegebenermaßen eine
ungewöhnliche Bitte, aber in Anbetracht der Umstände haben Sie bestimmt
Verständnis, ohne sich angegriffen zu fühlen.« Er blickte in die fragenden
Gesichter. »Stellen Sie sich vor, Sie müssten auf dem Werftgelände eine Leiche
verstecken. So gut verstecken, dass niemand sie findet. Würde Ihnen ein solcher
Ort einfallen?«
    Noch während Lyn vor
Schreck der Mund aufklappte, sprang Paul Lindmeir wie vom Skorpion gebissen
auf. »Was … was fällt Ihnen ein?«, fuhr er Hendrik an. »Das ist eine
Unverschämtheit! Sie kommen hierher und unterstellen unseren Leuten …«
    »Ich unterstelle Ihnen
allen gar nichts. Niemandem!«, versuchte Hendrik sich in dem einsetzenden
Stimmenwirrwarr laut durchzusetzen. »Das ist eine rein hypothetische Frage.«
    »Eine Hypothese,
basierend auf welcher Tatsache?«, giftete Paul Lindmeir den Oberkommissar an.
    »Basierend auf der
Tatsache, dass Ihr Chef ermordet und als Hühner-Waldi präpariert wurde. Und
dessen Leiche ist noch nicht aufgetaucht«, gab Hendrik ruhig zurück.
    Paul Lindmeir atmete
tief durch.

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