Marschfeuer - Kriminalroman
stand Karin Schäfer auf. »Es gibt genug zu tun, packen wir’s an, ihr
Lieben.«
»Stopp«, rief Thilo, als
alle aufstanden. »Bevor wir alle wild werden, bin ich dafür, dass wir
Praktikanten-Barbie zwecks Ermittlung Breite Straße21 in Gang setzen.
Einverstanden?«
»Unbedingt«, sagte
Lukas.
»Gute Idee«, befand auch
Lyn und sah Barbara an.
Die hatte bei der
Betitelung »Praktikanten-Barbie« schon den Mund zum Protest geöffnet, ihn aber
schnell wieder verschlossen. »Ich soll … ich darf allein … Krieg ich das denn
hin?«, fragte sie mit strahlenden Augen. »Was genau soll ich denn tun?«
»Das wirst du schon
hinkriegen«, versicherte Thilo ihr, zog ein Blankoblatt Papier aus seinem
Ordner und schrieb etwas darauf. Dann schob er es Lukas zu. Der schrieb
ebenfalls etwas darunter, bevor er das Blatt an Karin weitergab.
»Soll ich sagen, dass
ich von der Kripo bin?«, fragte Barbara.
»Unbedingt«, nickte
Thilo grinsend, »vielleicht gibt’s dann ‘ne Amarena-Kirsche extra.«
Die Praktikantin sah ihn
irritiert an.
»Lass dich nicht
verarschen, Barbara«, sagte Hendrik. »Ermittlung Breite Straße21 bedeutet, dass
jemand ‘ne Runde Eis von Casal holt. Mehr nicht.«
Alle bis auf Barbara und
Hendrik lachten.
»Sei nicht sauer«, sagte
Thilo schließlich, »ich geb dir auch ein megaleckeres Casal-Spaghetti-Eis aus,
Barbie.«
»Nenn mich nicht
Barbie«, fauchte die Praktikantin ihn an, riss Lyn das Papier aus der Hand,
nachdem die ihren Banana-Split und für Wilfried seinen Lieblingsfruchtbecher
daraufgesetzt hatte, und verließ den Raum in der gleichen Geschwindigkeit wie
zuvor ihr Onkel.
Bevor die Tür zuknallte,
rief Thilo ihr hinterher: »Und frag Birgit, welches Eis sie möchte. Noch
beleidigter ertrage ich sie nämlich nicht.«
»Wolltest du kein Eis?«,
fragte Lukas Jochen Berthold, der die Bestellliste wortlos weitergereicht
hatte.
»Nein. Freitags geh ich
mit meiner Frau bei uns in Wilster Eis essen.«
»Im Rialto am Markt?«,
fragte Lyn. »Da ist das Eis oberlecker. Mit dem Coppa Banana kommt nichts mit.«
»Wenn ihr mit dem
dämlichen Eis-Gequatsche durch seid, könnten wir vielleicht ja mal wieder zur
Sache kommen«, fuhr Hendrik dazwischen.
»Welche Mutanten-Laus
ist dir denn über die Leber gelatscht?«, blaffte Thilo zurück. »Du bist in
letzter Zeit ziemlich reizbar, Kollege. Vielleicht solltest du mal wieder ‘ne
Braut klarmachen.«
»So, Leute, jetzt
reicht’s!«, klinkte Karin sich nach einem schnellen Blick von Hendrik zu Lyn
ein. Lyn war ihr äußerst dankbar dafür, denn Hendriks Schläfenader schwoll
gerade beachtlich an.
»Wir müssen mit dem
Mädchen reden, dieser … dieser … Wie heißt die Freundin von Kevin Holzbach
noch?« Sie sah Lyn an.
»Jana. Jana Reimers …
Soll ich das Mädchen übernehmen?«
»Okay«, nickte die
Hauptkommissarin. »Ich habe mit der Mutter telefoniert. Das Mädchen kommt heute
von einer Klassenfahrt zurück.« Sie sah auf ihre Armbanduhr. »Sie müsste jeden
Moment zu Hause eintreffen. Am besten gibst du ihr noch eine Stunde, Lyn. Ihr
Freund ist tot. Die Kleine wird nicht zu gebrauchen sein.«
»Jana! Jana, versuch,
dich zu beruhigen«, bat Lyn und nickte Janas Mutter zu, deren Hand
ununterbrochen über den Hinterkopf ihrer Tochter strich, während sie »Pscht,
Jana, pscht, es wird alles gut« murmelte.
Jana Reimers saß auf dem
geblümten Wohnzimmersofa und hatte den Kopf an die Brust ihrer Mutter gepresst.
Sie schluchzte stoßweise vor sich hin. »Er … hat ihn … bestraft. Er hat … ihn …
bestraft.«
»Wer hat wen bestraft,
Jana?« Es tat Lyn im Herzen weh, das völlig aufgelöste Mädchen so vor sich zu
sehen, aber ihre Stimme klang sachlich und neutral. Emotionen konnte sie sich
bei der Vernehmung nicht erlauben, und sie würden Jana nur noch mehr am
Sprechen hindern.
Das Mädchen löste sich
kurz von der Mutter und sah Lyn unter dick geschwollenen Lidern an. »Gott … hat …«, immer wieder hickste sie zwischen den einzelnen Worten, »Gott hat … Gonzo …
bestraft, … weil er … weil er das … getan hat.«
»Was hat er getan, Jana?«,
hakte Lyn nach. »Was hat Gonzo getan?«
»Er hat … den alten …
Herrn Jaco …bsen … umge …bracht.«
»Jana!« Der entsetzte
Ausruf kam von Janas Mutter. »Wie kommst du denn darauf?« Sie hielt ihre
Tochter ein Stück von sich entfernt, um ihr in die Augen sehen zu können.
Jana entzog sich ihrer
Mutter, zog die Beine an den Körper, schlang die Arme darum und starrte
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