Marschfeuer - Kriminalroman
ungemein,
dass Männer Gefangene ihrer Lust waren.
Hendrik packte ihre
Hand, drehte sich mit dem Stuhl herum und zog sie auf seine Schenkel. »Hast du danach Sehnsucht, Lyn?«, fragte er leise, küsste ihre
Lippen, löste sich wieder, strich mit dem Finger aufreizend über ihre Brüste
und küsste sie erneut. Warm und zart.
Lyns Herz raste. Sie
konnte nur nicken.
»Dann«, sein Tonfall
wurde tief, während er ihre Oberarme packte und sie unsanft von seinem Schoß
schob, »solltest du dir überlegen, dein lächerliches und kindisches Verhalten
umgehend aufzugeben.« Er sah sie ernst an. »Ich bin nicht dein Hanswurst, Lyn.
Und wenn du dir nicht sicher bist, was deine Gefühle für mich angeht …« Er ließ
den Satz unbeendet und hob die Schultern.
Lyn schluckte. Hier lief
etwas gar, gar, gar nicht gut.
»Ich mochte schon immer
Geheimnisse«, versuchte sie die Situation zu retten, »schon seit ich ein
kleines Mädchen war. Und jetzt–«
»Und jetzt bist du eine
erwachsene Frau und solltest in der Lage sein, dich auch so zu verhalten«, fiel
Hendrik ihr ins Wort und stand auf. »Entschuldige mich bitte, ich habe Barbara
versprochen, ihr unser polizeiliches Intranet zu erklären.«
»Ach, Barbara!«, giftete
Lyn und verschränkte die Arme vor der Brust. »Bist du sicher, dass deine Kühle
mir gegenüber nicht einen anderen Grund hat als meine … meine
Geheimniskrämerei?«
Hendrik schürzte nur die
Lippen und stieß ein verächtliches »Pff, du wirst es wohl nie begreifen« aus.
Einen Moment war Lyn
versucht, mit dem Fuß aufzustampfen, als er sein Büro verließ, aber der
neugierige Blick Karin Schäfers, die gerade vorbeilief, veranlasste sie zu
einem aufgesetzten Lächeln. Sie folgte Hendrik über den Flur, bog aber in die
kleine Teeküche ab und bediente sich aus der Kanne mit dem frisch aufgebrühten
Kaffee. Als sie den ersten Schluck aus ihrem Becher trank, kam Karin in die Küche.
»Und?«, fragte sie nur.
»Du kannst ihn ruhig
trinken«, sagte Lyn, »die Kanne habe ich gekocht.«
»Ich meinte nicht den
Kaffee.« Die Hauptkommissarin spülte ihren Oma-ist-die-Beste-Becher aus, den
mal wieder einer der Kollegen benutzt und schmutzig auf die Ablage gestellt
hatte. »Ich meinte dich und Hendrik.«
»Ich … wir … also …«
»Es geht mich ja nichts
an, Lyn, und wenn du nicht mit mir darüber sprechen willst, ist das völlig
okay, aber ich verstehe einfach nicht, wo euer Problem liegt.«
»Als Hendrik geboren
wurde, habe ich mit meinen Eltern schon über die weiterführende Schule
diskutiert. Und genau das ist mein Problem.«
Karin tätschelte über
Lyns Arm. »Für Hendrik ist es ja anscheinend kein Problem. Also mach es dir
nicht kaputt, Lyn, du weißt doch: Die Konkurrenz schläft nicht.«
Als Lyn in ihr Büro
zurückging, verkniff sie sich einen Blick in das Büro von Lukas Salamand, in
dem man Praktikanten-Barbie einen Platz freigeräumt hatte. Sie setzte sich
hinter ihren Schreibtisch, ließ den Computer hochfahren und scrollte sich durch
die Fotos vom Leichnam Kevin Holzbachs, die die Kollegen von der
Spurensicherung bereits online gestellt hatten.
Auf die Angabe des
genaueren Todeszeitpunktes mussten sie noch ein wenig warten, aber Dr. Helbing hatte die Zeit anhand der
Ausprägung der Leichenstarre vorab geschätzt. Er konnte kaum länger als drei
Stunden tot gewesen sein, als der Hundehalter ihn gefunden hatte.
Lyn blickte auf ihre
Uhr. Sie wollte zu Hause sein, wenn Charlotte mit dem Vier-Uhr-Bus in
Wewelsfleth eintraf, und ihr selbst sagen, was passiert war. Auch wenn ihre
Tochter Gonzo nicht gemocht hatte, war er doch Mitglied ihrer Clique und Janas
Freund gewesen. Lyn seufzte. Sein Tod würde Charlotte für den Rest des Tages
beschäftigen.
»Tot? Gonzo?« Charlotte
wurde kreidebleich.
Lyn hatte mit der
Nachricht gewartet, bis Charlotte ihr Kartoffelpüree und das Würstchen gegessen
hatte. Jetzt sah sie aus, als würde das Essen den gleichen Weg wieder zurück nehmen
wollen.
Lyn langte über den
Tisch nach der Hand ihrer Tochter. »Er wurde heute Morgen an der Stör gefunden.
Mit einer Kopfwunde. Wir wissen noch nichts Genaues, aber es scheint, als sei
er beim Angeln gestürzt.« Andere Mutmaßungen wollte Lyn nicht äußern.
Charlotte rannen die
Tränen über die Wangen. »Beim Maifeuer hat er noch zwei Flaschen Sekt auf
meinen Geburtstag ausgegeben, obwohl ich das gar nicht wollte. Und Mittwoch
haben wir zusammen gegrillt. Ich konnte ihn ja echt nicht ab, aber jetzt …
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