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Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Titel: Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Claude Izzo
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eingejagt. Eine Angst, so alt wie die Geschichte der Stadt, nur dass sie diesmal ein Paradox überwinden mussten: Die Angst lähmte ihr Denken. Ihr erneutes Umdenken.
    Immer noch kein Sanchez in Sicht. 7.10 Uhr. Was machte er, der Idiot? Es störte mich nicht, dort tatenlos zu warten. Es entspannte mich. Ich bedauerte nur, dass die vorbeigehenden Frauen es alle eilig hatten, nach Hause zu kommen. Es war eine ungünstige Stunde, um sie zu beobachten.
    Sie gingen schnell. Die Handtasche fest an den Bauch gedrückt. Den Blick gesenkt. Die Angst raubte ihnen jede Sinnlichkeit. Morgen würden sie sie wieder finden, kaum dass sie in den Bus gestiegen waren. Mit diesem offenen Blick, den ich an ihnen mochte. Hier senkt ein Mädchen nicht die Augen, wenn sie dir gefällt und du sie ansiehst. Selbst wenn du sie nicht anbaggerst, solltest du zu schätzen wissen, was sie dich sehen lässt, ohne den Blick abzuwen - den. Sonst macht sie dir einen Skandal, besonders wenn viele Leute drum herum stehen.
    Ein grün-weißer Golf GTI mit Schiebedach fuhr auf den Bürgersteig und hielt zwischen zwei Platanen. Musik drang aus dem Innern. Etwas so Unverdauliches wie Whitney Huston! Der Fahrer kam direkt auf mich zu. Um die fünfundzwanzig. Gut aussehend. Weiße Leinenhose, leichte, fein blau-weiß gestreifte Jacke, dunkelblaues Hemd. Halblange Haare, aber gut geschnitten.
    Er setzte sich hin und sah mir direkt in die Augen. Er schlug die Beine übereinander und zog dabei leicht die Hose hoch, um die Bügelfalte nicht zu ruinieren. Ich bemerkte seinen Siegelring und die Uhrkette. Wie aus der Modezeitschrift, hätte meine Mutter gesagt. Ein echter Zuhälter in meinen Augen.
    »Francis, eine Mauresque«, rief er.
    Er zündete sich eine Zigarette an. Ich mir auch. Ich wartete darauf, dass er etwas sagte, aber er würde nichts sagen, bevor er nicht getrunken hatte. Ganz der coole Typ. Ich wusste, wer er war. Toni. Der dritte Mann. Einer von denen, die vermutlich Leila ermordet hatten. Die sie auch vergewaltigt hatten. Aber er wusste nicht, dass ich das dachte. Er glaubte, für mich nur der Fahrer von dem Taxi am Opernplatz zu sein. Er hatte das sichere Auftreten eines Typs, der nichts riskiert. Der Protektion hatte. Er trank einen Schluck von seinem Pastis mit Mandelgeschmack, dann grinste er mich breit an. Wie ein Raubtier.
    »Du wolltest mich treffen, hat man mir gesagt.«
    »Eigentlich hatte ich erwartet, dass wir uns vorstellen.«
    »Versuch nicht, mich reinzulegen. Ich bin Toni. Sanchez quatscht zu viel. Und er macht sich vor jedem Bullen in die Hosen. Kein Kunststück, ihn zum Reden zu bringen.«
    »Und du machst dich nicht so leicht nass?«
    »Was du über mich weißt oder nicht, macht keinen Unterschied. Du taugst gerade genug, um die Scheiße vor den Türen der Araber zusammenzukehren. Und selbst da scheinst du nicht gerade zu glänzen. Du steckst deine Nase in Angelegenheiten, die dich nichts angehen. Ich hab ein paar Kumpel bei dir im Revier. Die sind der Meinung, wenn du deinen Riecher nicht in deinen eigenen Mist steckst, müssen wir dir das Nasenbein brechen. Der Rat kommt von ihnen. Ich bin voll auf ihrer Seite. Klar?«
    »Du machst mir Angst.«
    »Lach du nur, du Schwachkopf! Ich könnte dich platt machen, ohne ein Staubkorn aufzuwirbeln.«
    »Wenn ein Idiot sich niedermachen lässt, wirbelt das nie Staub auf. Das ist gut für mich. Und für dich auch. Wenn ich dich abknalle, machen deine Kumpels für dich weiter.«
    »Aber so weit wird es nicht kommen.«
    »Warum? Wirst du mir vorher in den Rücken schießen?«
    Sein Blick trübte sich leicht. Ich hatte etwas Dummes gesagt. Es brannte mir auf der Zunge, ihm ins Gesicht zu sagen, dass ich mehr über ihn wusste, als er dachte. Aber ich bereute es nicht. Ich hatte gerade die richtige Andeutung gemacht. Um mich wieder zu fangen, fügte ich hinzu: »Du hast die Visage danach, Toni.«
    »Was du denkst, geht mir am Arsch vorbei! Vergiss nicht! Ich gebe dir den Rat nur ein Mal. Eine zweite Warnung gibt es nicht. Und vergiss Sanchez.«
    Das zweite Mal in achtundvierzig Stunden hatte man mich bedroht. Mich unmissverständlich gewarnt. Mit Toni war es weniger schmerzhaft gewesen als letzte Nacht, aber genauso erniedrigend. Am liebsten hätte ich ihm unter dem Tisch durch eine Kugel in den Bauch gejagt. Nur um meinen Hass zu stillen. Aber ich würde meine einzige Fährte nicht zerstören. Und außerdem hatte ich keine Waffe bei mir. Ich nahm meine Dienstwaffe selten mit. Er trank seine

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