Marsha Mellow
Gespräch vertieft, während ich in einer Ecke stand und mit den Pasteten Bekanntschaft schloss. Die beiden gaben ein großartiges Paar ab - passende Wangenknochen wobei Jake allein schon umwerfend aussah und man bei seinem Lächeln weiche Knie bekam. Mit seinen neununddreißig Lenzen hätte er es noch locker unter die letzten zwanzig von Popstars geschafft (auch wenn er danach vermutlich bei der Gesangsprobe durchgefallen wäre). Nach einer Weile schleifte sie ihn zu mir herüber, und ich musste so tun, als hätte ich sein neues Opus ebenfalls gelesen und wäre genauso begeistert davon wie sie. Als sie kurz auf der Toilette verschwand, um ihre stark beanspruchten Wimpern wieder herzurichten, dauerte es gerade einmal fünf Minuten, bis er meine Telefonnummer hatte.
Dabei war es mir lange ein Rätsel, weshalb er an mir interessiert war, zumal in unserer Familie Lisa diejenige ist, die mit Schönheit gesegnet ist. Allerdings habe ich etwas, was sie nicht hat - nämlich Oberweite. Bei meinen mausgrauen Haaren und dem Durchschnittsgesicht das Einzige, was an mir hervorsticht. Seit ich vierzehn bin, trage ich Doppel-D, ohne auf Pushup-Technik angewiesen zu sein. Ich habe meinen Nachnamen schon immer gehasst, aber ganz besonders während meiner Schulzeit, wo aus »Bickerstaff« »Biggertits« wurde. Ant hat einmal gesagt, dass er in meinen Brüsten keinen evolutionären Sinn erkennt, abgesehen von der Möglichkeit, damit eventuell eine Hungersnot zu stillen. Aber Ant ist nicht Jake. Jake Bedford gehört zu den Männern, die auf dicke Titten stehen.
»Du hast es also geschrieben, um ihm zu beweisen, dass du genauso gut bist wie er?«, fragt Ant.
»Nein, eigentlich wollte ich gar kein Buch schreiben, und ich wollte auch niemandem etwas beweisen - außer mir selbst«, entgegne ich.
Ich wollte beweisen, dass ich so hemmungslos sein kann, wie er das immer wollte - zumindest auf dem Papier. Im Grunde ist es nicht fair, Jake als bloßen Tittenfetischisten zu bezeichnen. Er hatte generell großes Interesse an allen möglichen Sexualpraktiken - nein, streichen Sie das wieder. Das klingt viel zu anständig. Er war ein richtiges Sexmonster, geradezu besessen. Zu jeder Zeit, an jedem Ort, bei jeder verdammten Gelegenheit. Er war permanent scharf auf mich. Einige Wochen bevor ich ihn kennen gelernt habe, habe ich mir eine Folge von ER angeschaut, in der ein Typ wegen einer Erektion behandelt wurde, die angeblich nicht mehr wegging - sozusagen ein Dauer Ständer rund um die Uhr. Für das Symptom gab es auch einen medizinischen Fachausdruck - chronische Erektionitis oder so ähnlich -, aber ich dachte damals, so etwas würde es in Wirklichkeit nicht geben. Wäre ja auch ziemlich albern ... Doch dann lernte ich Jake kennen.
Anfangs ist mir diese Seite an ihm überhaupt nicht aufgefallen. Erst bei unserem vierten Date kam mir der Verdacht. Das ... äh ... Date war nicht so berauschend. Es genügt, wenn ich sage, dass Handschellen und Poppers, wie ich später erst herausfand, im Einsatz waren. Man kann mir ruhig vorwerfen, prüde zu sein, aber mein Gefühl sagte mir ganz deutlich, dass Handschellen vor dem zehnten Date - beziehungsweise vor dem zehnten Hochzeitsjahr - nicht angemessen sind, und dank der Poppers hatte ich meine erste richtige Panikattacke. (Heißer Tipp am Rande: Mit Panikattacken macht man sich bei seinem Freund nicht besonders beliebt, insbesondere dann nicht, wenn er gerade kurz vor dem Orgasmus ist.)
Spätestens da hätte ich den gesicherten Rückzug antreten müssen. Aber ich war völlig von Sinnen. Schlimmer noch, zum ersten Mal in meinem Leben war ich richtig verliebt.
Was Dümmeres kann einem nicht passieren.
Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass er einiges mehr auf dem Kasten hatte als sein Boygroup-Lächeln und seinen Dauerständer. Immerhin war er Schriftsteller - zudem ein erfolgreicher, auch wenn er über explodierende Planeten und aufgeschlitzte Androiden schrieb. Obwohl mein Interesse an Zeitreisen und Wurmlöchern im Raum-Zeit-Kontinuum (oder was auch immer) nur geheuchelt war, törnte mich sein Intellekt genauso an wie ihn meine Möpse. Er verkörperte alles, was ich nicht hatte - Weltgewandtheit, Überlegenheit und Selbstsicherheit. Hingegen schätzte er gerade meine Unerfahrenheit. Hätte ich beim vierten Date im Bett zu ihm gesagt: »Handschellen sind doch was für Weicheier. Hast du keine richtigen Ketten?«, hätte er bestimmt unverzüglich die Flucht ergriffen. Er hatte es sich nämlich
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