Marsha Mellow
ziemlich an mich selbst.«
Hoffentlich kann er nicht die Alarmglocken hören, die in meinem Kopf zu läuten beginnen.
»Gut, sie hat zwar eine Muschi, aber sonst ist sie wie ich«, redet er weiter. »Sie macht sogar dieselben Sachen wie ich. Weißt du noch, als ich diesen Typen auf der Rolltreppe bei Harrods aufgerissen und ihm vor der Lebensmittelabteilung einen geblasen habe? Das steht alles hier drin.«
Jetzt sind die Alarmglocken zu einem Sirenengeheul angeschwollen, sodass man glauben könnte, wir werden jeden Moment mit Atombomben angegriffen.
»Das ganze Buch ist voll davon. Einfach unglaublich. Ein Großteil meines Lebens in einem Buch verarbeitet. Mir ist klar, dass das ein unglaublicher Zufall ist, aber trotzdem ganz schön schräg, was?«
Ich nicke - zu mehr bin ich nicht fähig, da mein Kehlkopf wie mein restlicher Körper völlig gelähmt ist.
»Hab noch nie was von der Autorin gehört.« Er schlägt das Buch zu und betrachtet das Cover. »Marsha Mellow... Ist dir der Name ein Begriff?«
»Ja«, sage ich heiser.
Ant sieht mich an. »Alles klar mit dir, Amy? Du siehst aus, als müsstest du dich übergeben.«
»Ich bin das«, murmle ich lautlos.
»Du bist was?«
»Ich bin das«, wiederhole ich ein wenig lauter.
»Wovon sprichst du? Was bist du?«
»Marsha Mellow.«
»Du sprichst in Rätseln.«
»Ich bin Marsha Mellow.«
»Sei nicht albern. Du bist Amy.«
Gott, wie oft muss ich es noch wiederholen? »Ich bin Marsha Mellow, Ant. Ich habe dieses Buch geschrieben «, brülle ich jetzt. Ant sieht mich völlig verdattert an.
»Scheiße ... Fuck ...«, flucht er. »Du verarschst mich, oder?«
Nein, leider nicht. Ich habe ein Buch geschrieben, das »frische, unbekümmerte, weibliche Schlagfertigkeit mit schweißtreibender Unterleibs-Erotik paart« (Cosmopolitan), »mit der drastischen Darstellung von harter Pornografie in der modernen Frauenliteratur schockiert« (Time Out) und »den Kritiker mit allergrößtem Ekel erfüllt«. (Daily Telegraph).
»Wie das? ... Wann? ... Wie?«, stammelt Ant verstört.
»Das ist eine lange Geschichte, Ant.«
»Tja, dann schieß mal los. Wann hast du damit angefangen?«
»Vor zwei Jahren. Kurz nachdem Jake mir den Laufpass gegeben hat.«
Jake war meine erste richtige Beziehung. Eine Beziehung mit einem reifen Mann - er war neununddreißig, ich gerade einmal dreiundzwanzig. Ich habe ihn kennen gelernt, als ich noch beim North London Journal als Assistentin des Kulturredakteurs gearbeitet habe. Der bekam damals immer massenhaft Einladungen zu Buchpremieren, die er meistens hat sausen lassen, sodass die Einladungskarten häufig in unserem Büro liegen blieben. Einmal hat mich Lisa zum Feierabend abgeholt. Sie saß auf meinem Schreibtisch, als ihr eine dieser Einladungen ins Auge stach.
»Hey, wir könnten doch die Party ein wenig aufmischen«, schlug sie vor, während sie mit dem Finger über die Prägeschrift auf der Karte fuhr. »Von hier aus ist das nur ein Stück die Straße hinauf.«
»Das geht nicht... Für wen ist die überhaupt?«
»Kenn ich nicht. Irgend so ein Typ, der ein Buch geschrieben hat ... Jake Bedford.«
Damals war mir der Name ebenfalls kein Begriff, und hätte ich die Einladung heimlich im Papierkorb verschwinden lassen - was verdammt schlau gewesen wäre -, hätte ich ihn niemals kennen gelernt. Ich habe meiner Schwester einiges vorzuwerfen. Dass ich es ihr zu verdanken habe, dass ich Jake begegnet bin, zählt noch zu ihren minderen Vergehen.
Jake schreibt Science-Fiction. Als Mitarbeiterin der Kulturredaktion hätte ich das eigentlich wissen müssen, aber ich schaue selten in ein Buch, außer man hält es mir unter die Nase - oder es hat ein hübsches, pastellfarbenes Cover, das romantischen Kitsch verspricht. Die Cover von Jakes Büchern sind schwarz und blutrot mit explodierenden Planeten und aufgeschlitzten Androiden.
Im Grunde hätte Lisa mit ihm zusammenkommen sollen. Meine kleine Schwester ist nämlich ein echter Hingucker. Wäre die Vorstellung nicht völlig absurd (zumal dafür auch Zeitreisen nötig wären), würde ich schwören, dass sie das Ergebnis eines Seitensprungs meiner Mutter mit Jude Law ist. Obwohl Jake auf der Party ständig belagert war, hat es nicht lange gedauert, bis er auf sie aufmerksam geworden ist. Lisa beherrscht nämlich perfekt die Kunst des Flirtens, und früher oder später muss er den Windhauch bemerkt haben, den ihre Wimpern quer durch den Raum produzierten. Kurze Zeit später waren sie in ein
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