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Marsha Mellow

Marsha Mellow

Titel: Marsha Mellow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Beaumont
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ich trotzig zurück. Die werden sich noch alle wundern.
    In diesem Augenblick kommt Mum mit dem Dessert. Dad folgt ihr mit der Vanillesauce. Jetzt oder nie, überlege ich, man muss das Eisen schmieden, solange es heiß ist - ich tu‘s. Jetzt gleich. Definitiv.
    »Mum, Dad«, beginne ich, »ich muss euch etwas sagen. Ich bin ...«
    »Reverend Swinton hat heute Morgen eine wundervolle Predigt gehalten, nicht wahr, Brian?«, fällt mir Mum unbekümmert ins Wort.
    Ist das nicht zum Kotzen? Da möchte man seinen Eltern das schreckliche Geständnis machen, dass man schwanger/drogensüchtig/beim Ladendiebstahl erwischt worden ist, und kein Schwein hört zu.
    Ich werfe einen Blick zu Lisa, die vermutlich dasselbe denkt wie ich, zumal sie die Augen in Richtung Decke verdreht. Ich zucke die Achseln, um auszudrücken, dass das jetzt nicht der geeignete Augenblick ist, woraufhin sie mir unter dem Tisch einen Tritt verpasst.
    »Ja, eine vorzügliche Predigt«, pflichtet Dad ihr bei, wobei er übersieht, wie ich vor Schmerz kurz zusammenzucke.
    »Dieser Bericht gestern in der Zeitung hat ihn wohl inspiriert«, fährt Mum fort, wobei ich inständig hoffe, dass sie damit KYLIES BRANDNEUER HINTERN auf dem Titelblatt der Sun meint. »Der über diese Sexorgie in dieser Privatschule.«
    Scheiße, also doch nicht Kylie. Hallo, Riverdance-Truppe. Gibt es wieder eine Zugabe?
    »Er kam zu dem glorreichen Fazit, dass, wie schrecklich das Ganze auch sein mag, es doch beweist, welch eine bemerkenswerte Macht das geschriebene Wort hat, und würden in den Schulen häufiger die Evangelien gelesen, würden die jungen Leute vielleicht...«
    »Mum, Amy möchte dir etwas mitteilen«, fährt Lisa dazwischen.
    »Nein, möchte ich nicht.«
    Unter keinen Umständen werde ich es ihr jetzt sagen.
    »O doch. Oder soll ich es lieber tun?« Mit schmalen Augen sieht sie mich an, um auszudrücken, dass sie es ernst meint.
    »Worum geht es denn, Amy?«, fragt Mum, deren Augen jetzt ebenfalls schmal werden - sie wittert Unfrieden.
    Dad ebenso. Er hält sich an der Tischkante fest, sodass seine Knöchel weiß hervortreten - er kennt das bereits, und er hat ein Gespür dafür, dass gleich ein heikles Thema aufkommt. Vielleicht reagiert er ja wie immer? Ich sehe ihn mit flehendem Hundeblick an.
    »Hat jemand gestern Abend diese Tierdokumentation gesehen?«, meint er. Offenbar hat er den Wink verstanden. Nach jahrelanger Erfahrung hat er herausgefunden, dass die beste Methode, um die Bickerstaffs von einem heiklen Thema abzulenken, darin besteht, eine völlig zusammenhanglose Bemerkung fallen zu lassen, sodass Mum und Lisa vor lauter Sprachlosigkeit verstummen. Das funktioniert zwar nicht immer, aber oft. Ich bete.
    »Über Elefanten«, redet er weiter. »Erstaunliche Kolosse. Die einzigen Säugetiere mit vier Knien, und trotzdem können sie nicht hochspringen.«
    »Sei jetzt ruhig, Brian«, erwidert Mum. »Amy möchte uns etwas mitteilen.«
    Nun gut, wenigstens hat er es versucht.
    Ich schaue wieder zu Lisa. Ihr Gesichtsausdruck lässt keinen Zweifel aufkommen, dass es kein Zurück mehr gibt. Und sie hat Recht. Das hätte ich nämlich schon vor langer Zeit tun sollen. Es wird zwar die Hölle, aber es gibt keinen anderen Ausweg.
    »Eigentlich handelt es sich um gute Neuigkeiten«, beginne ich tapfer. »Es ist in der Tat erstaunlich, ganz unglaublich, richtig galaktisch ...«
    Dad wird hellhörig.
    »... Wenn ihr vielleicht im ersten Moment auch schockiert sein werdet.«
    Dad lässt wieder die Schultern hängen.
    Ich beschließe, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Ich greife in meine Tasche und ziehe eine Benson & Hedges aus der Schachtel. Nervös spiele ich damit herum, bevor ich einen letzten Blick auf Mum werfe. Gleich wird ihr Bild von der gehorsamen, braven Tochter gehörig ins Wanken geraten.
    »Wisst ihr, es fällt mir nicht leicht, euch das zu sagen«, rede ich weiter, wobei ich mich zwinge, dem Blick meiner Mutter standzuhalten, »darum will ich jetzt gar nicht groß drum herumreden. Ich ...«
    Ich stehe kurz davor, es zu tun, als plötzlich die Sonne hinter einer Wolke hervorkommt und direkt durch das Erkerfenster scheint, sodass Mum von hinten sanft angestrahlt wird. Dabei scheint sie mit dem Buntglasfenster zu verschmelzen und hat jetzt nichts mehr mit meiner Mutter gemein. Sie hat sich in ein Heiligenbild verwandelt - in die Heilige Charlotte von Finchley.
    Vielen Dank auch, Gott. Verflucht perfektes Timing.
    »Komm schon, Amy, raus damit«,

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