Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Marsha Mellow

Marsha Mellow

Titel: Marsha Mellow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Beaumont
Vom Netzwerk:
Gesellschaftsstruktur aufrechtzuerhalten, während ihre Zeitgenossen sich bekifft und Steine gegen Polizisten geworfen haben. Nun ja, irgendwer musste ja die Fahne hochhalten, und ich wette, die Hippies waren später froh über Dads Kleiderbügel, als sie Mitte der Siebziger ihre Afghanenmäntel daran aufhängen konnten, um sie einzumotten.
    Ich betrachte ihn, wie er über seine Werkbank gebeugt ist. Mein Dad ist jünger als Mick Jagger - und das schon seit eh und je, auch wenn das kaum zu glauben ist. Ich versuche, ihn mir auf einer Bühne vorzustellen, wo er aufmarschiert und brüllt: »Hello, Los Angeles, are you ready for some ROCK‘N‘ROLL?« ... Schwierig. Jedenfalls nicht in dieser Strickweste.
    »Hi«, rufe ich laut.
    »Hallo, Amy«, erwidert er und dreht sich mir zu.
    Während ich ihn ansehe, ist mir sonnenklar, von wem ich mein Aussehen habe. Ich bin zwar weder kahl noch grauhaarig - noch nicht aber ich habe einiges von ihm vererbt bekommen. Darunter auch die dicken Möpse - seine beiden Schwestern sehen nämlich aus wie Dolly Parton mit Hängetitten, was mich noch depressiver stimmt als meine etwas zu lange Nase.
    »Was machst du da?«, frage ich mit Blick auf den Holzklotz, den er mit... ähm ... irgendeinem Werkzeug bearbeitet.
    »Oh, das ist ein Dingensbumens für das Dingens.«
    »Noch eins? Egal, wie geht es dir?«
    »Ach, du weißt ja ...«
    Nein, eigentlich nicht. Dabei muss ich an die Mission denken, zu der ich mich vor ein paar Tagen verpflichtet habe. Aber ich habe mich bloß bereit erklärt, mit Dad zu sprechen, damit Mum endlich Ruhe gibt. Es ist nämlich ausgeschlossen, dass er fremdgeht. Ich versuche ihn mir backstage nach dem Auftritt in L.A. vorzustellen, zwei Groupies im Lederoutfit gleichzeitig auf dem Schoß ... Totaler Schwachsinn. Mein Vater stellt hundertprozentig nichts mit anderen Frauen außer meiner Mutter an - wobei, wenn ich es mir genauer überlege, stellt er mit ihr höchstwahrscheinlich auch nichts mehr an. Jedenfalls nicht in dieser Strickweste.
    Aber ich muss etwas sagen. Wenigstens der Form halber.
    »Mum sagt, dass sie dich in letzter Zeit kaum zu Gesicht bekommt.«
    »Oh, ich habe momentan unheimlich viel um die Ohren. Mit der Firma scheint es allmählich wieder bergauf zu gehen«, sprudelt es plötzlich begeistert aus ihm heraus. »Von mir aus können die so viel über globalen Wettbewerb reden, wie sie wollen, eins steht fest: Die Menschen werden immer etwas brauchen, woran sie ihre Hemden aufhängen können.«
    »Vorausgesetzt, man nimmt ihnen nicht auch noch das letzte Hemd«, entgegne ich.
    »Wie bitte?«
    »Man sagt doch, die Menschen müssen ihr letztes Hemd hergeben ... wenn Rezession herrscht«, erkläre ich matt.
    »Oh ... sehr scharfsinnig. Hier, die gefallen dir bestimmt«, sagt er und greift in einen großen Karton. Er nimmt eine Hand voll Bügel heraus. »Das ist mein nächstes Meisterstück.
    Mit Kunststoff ummantelte Bügel, mit denen man die Kleidung farblich kennzeichnen kann. Blau für Arbeitskleidung, pink für Freizeitkleidung, gelb für... Ach, wie man will. Hier, nimm ein paar.«
    Ich wusste es, geht mir durch den Kopf, während er die Kleiderbügel in eine Tüte stopft, die er mir anschließend übergibt. Statt sich mit irgendeinem Flittchen im Minirock zu amüsieren, hat er sich die Nächte um die Ohren geschlagen, um den Kleiderbügel mit integriertem Farbcode zu perfektionieren. In Zukunft ist die Menschheit davor gefeit, den Geschäftsanzug mit der Schlabbeijogginghose zu verwechseln, und bestimmt werden für meinen Vater Ehrendenkmäler errichtet werden. Mum irrt sich gewaltig.
    »Danke, Dad«, entgegne ich lächelnd. »Sollen wir mal schauen, ob das Essen schon fertig ist?«
    Während Mum und Dad in der Küche die Spülmaschine einräumen, sitzen Lisa und ich an dem Mahagonitisch im Esszimmer, der einmal im Monat benutzt wird. Vor- und Hauptspeise haben wir bereits hinter uns gebracht, ohne dass der Name Marsha Mellow beziehungsweise ihr Buch ein einziges Mal erwähnt worden sind.
    »Du Memme«, sagt Lisa. »War ja klar, dass du kneifst.«
    »Ich möchte den geeigneten Augenblick abpassen«, rechtfertige ich mich.
    »Dass ich nicht lache. Vorhin gab es 17 Gesprächspausen, ich habe nämlich genau mitgezählt. Du hattest also 17 Mal die Gelegenheit. Aber du machst es ja sowieso nicht. Bestes Beispiel: Mit fast 26 verheimlichst du ihnen immer noch, dass du rauchst.«
    »Na schön, dann sage ich ihnen das eben auch. Wirst schon sehen«, gebe

Weitere Kostenlose Bücher