Marsha Mellow
Neuigkeiten gefasst.«
Ich rechne mit dem Schlimmsten - unter großartig versteht Mary nämlich etwas völlig anderes als ich.
»Meine Spione haben mir geflüstert...«
»Welche Spione?«, frage ich alarmiert dazwischen.
»Allmählich wirst du paranoid, Schätzchen. Das ist eine Redewendung - genau wie ›Das hat mir ein Vögelchen gezwitschert. Wie auch immer, ein Vögelchen hat mir gezwitschert, dass unser Buch nächste Woche erstmals die Bestsellerliste stürmen wird.«
Ich habe mich geirrt. Das ist in der Tat großartig. Trotz der ganzen Panik- und Übelkeitsattacken, die mich aus heiterem Himmel überfallen, sobald das Thema »Marsha Mellow« angeschnitten wird, erfüllt mich die Tatsache, dass sie - nein, dass ich - dass ich einen Bestseller gelandet habe, mit großer Freude, sodass ich beinahe das Wetter vergesse.
»Sensationell, oder?«, bemerkt Mary, der meine Freude nicht entgeht. »Verdammt gute Arbeit, mehr brauche ich dazu nicht zu sagen. Es geschieht nicht alle Tage, dass ich einen echten Bestsellerautor unter Vertrag habe. Wie ich dir vorhergesagt habe, verkauft sich unser Schätzchen dank der Mail wie warme Semmeln, und wie ich dir ebenfalls vorhergesagt habe, hatte ich deinen völlig unfähigen Verleger heute Morgen bereits an der Strippe.«
Mary war von Anfang an nicht sonderlich von meinem Verleger begeistert. Seltsamerweise ist es ihr Job, mir, ihrer Klientin, einen Verleger schmackhaft zu machen. Aber wie sagte sie noch vor einer Weile, als sie versuchte, mein Manuskript an den Mann zu bringen: »Niemand will etwas von Marsha Mellow wissen - wahrscheinlich für empfindliche Gemüter zu viel Bettgymnastik.« Ich war damals nicht in der Position, wählerisch zu sein.
Sämtliche großen und auch die meisten kleineren Verlage lehnten das Buch ab. Eines Tages meinte Mary zu mir: »Ist dir Smith Jacobson ein Begriff? ... Natürlich nicht. Es handelt sich um einen winzigen Verlag mit einer äußerst magersüchtigen Publikationsliste. Er wird noch immer von einem der Gründer geleitet, Adam Jacobson. Unter normalen Umständen würde ich mich ihm auf keine zehn Meter nähern. Kann die Finger nicht bei sich lassen, wenn du verstehst, was ich meine. Wie auch immer, neulich war ich kurz im Laden um die Ecke wegen meiner Zeitschrift und etwas Süßkram, und da steht er vor dem Regal und blättert in den Heftchen aus der oberen Reihe - ich spreche nicht von Comics, bevor du fragst. Plötzlich hatte ich eine innere Eingebung. Bislang habe ich mich nur darauf konzentriert, einen Verleger zu finden, der den literarischen Wert deines Buches erkennt. Dabei brauche ich vielmehr einen, der, offen gesprochen, sich an dem massiven Austausch von Körperflüssigkeiten ergötzen kann. Also habe ich ihm dein Werk entsprechend angepriesen, und da er gerade eine Ausgabe von Monstertitten in den Händen hielt, konnte er schwerlich ablehnen. Außerdem ist er nicht gerade das, was man als anspruchsvoll bezeichnet. Ich will zwar deine Leistung keineswegs schmälern, Schätzchen, aber er würde auch ein Angebot für Jordaniens Lebensmittelbedarf machen, wenn er der Meinung wäre, das Hardcover erfolgreich bis Weihnachten herausbringen zu können.«
Mary hat Adam Jacobson stets als einen windigen Schleimbeutel dargestellt, der nicht viel ehrenhafter ist als jener Exhibitionist, der Lisa und mir einmal auf dem Nachhauseweg von der Schule auflauerte. Ich selbst kann das nicht beurteilen, da ich ihn nie kennen gelernt habe.
»Er will dich kennen lernen«, verkündet Mary, während es immer stärker regnet.
»Geht nicht. Ich muss anonym bleiben«, widerspreche ich inbrünstig.
»Hör mir erst mal zu, Engelchen. Er möchte dir ein Angebot unterbreiten, und er meint, er würde nicht - Zitat - ›eine beträchtliche Geldsumme‹ in eine Autorin investieren, die er nicht einmal kennt.«
»Soll er doch sein Geld behalten. Ich werde mich auf keinen Fall mit ihm treffen. Und ich habe auch nicht vor, ein zweites Buch zu schreiben.«
»Wie, du lässt zu, dass Marsha Mellow ein literarischer One-Night-Stand bleibt? Hosen zu und danke an die Leser? Das wäre eine Tragödie ... Aber selbstverständlich ist das allein deine Entscheidung. Trotzdem schlage ich vor, dass du dich mit ihm triffst und dir anhörst, was er zu sagen hat, bevor du sein Angebot ablehnst.«
»Vergiss es einfach, Mary. Das mit dem Bestsellererfolg war pures Glück. Ich will kein Buch mehr schreiben, nicht einmal für... A propos, wie viel lässt er eigentlich
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