Marsha Mellow
es dir überlassen ... falls du mir überhaupt noch eine Chance gibst. Ruf mich bitte an ... Und sei es auch nur, um mir zu sagen, was für ein Arsch ich bin.«
Damit endet die Nachricht, und das darauf einsetzende Schweigen ist hochschwanger und gehört in einen Kreißsaal. Schließlich meint Ant: »Das ist das erste Mal, dass ich seine Stimme gehört habe. Der hört sich ja an wie Pierce Brosnan. Mein Name ist Bastard, Jake Bastard. Du wirst ihn doch nicht anrufen, oder?«
»Natürlich nicht«, erwidere ich.
Was auch mein Ernst ist. Ab jetzt werde ich einen riesengroßen Bogen um das Telefon machen.
KAPITEL 8
»Wo gehst du hin?«, fragt Julie.
»Raus«, antworte ich.
»Das ist mir schon klar. Aber wohin genau?«
»Ich muss ein paar Einkäufe erledigen.«
»Schade. Eigentlich wollte ich dir vorschlagen, zusammen diese neue Kneipe auszuprobieren. Macht ziemlich was her, der Laden. Vielleicht feiern Alan und ich dort unsere Verlobung. Der Laden heißt übrigens Cuba Libre.«
Aaah!
»Tut mir Leid, aber ich muss jetzt los«, sage ich, schlüpfe hastig in meinen Mantel und flüchte aus dem Büro.
Den Namen des Ortes zu hören, an dem ich meinen Vater mit dieser Frau gesehen habe, gibt mir den Rest. Mein Vater und diese Frau gehören nämlich zu den Menschen, die ich schon den ganzen Vormittag lang zu verdrängen versuche. Die Liste ist ganz schön lang. Auf ihr steht der neue Jake, dem es sogar Leid tut - mit dem will ich mich gar nicht länger aufhalten. Dazu gehört auch Lewis, der in sein altes Verhaltensmuster zurückgefallen ist, indem er so tut, als gäbe es mich nicht. (Vorhin hat er sich ganze zehn Minuten lang mit dem sechzehnjährigen Akneopfer unterhalten, sodass ich annehme, dass ich jetzt offiziell die unwichtigste Person in der Firma bin.) Weiterhin gehören zu der Liste meine Mutter, Ant sowie der Inhalt dieser verdammten Beichte. Was zum Teufel hat sie nur verbrochen? Und Lisa fehlt selbstverständlich auch nicht.
Sie bleibt nach wie vor auf Tauchstation - wahrscheinlich hat sie einen Killer auf mich angesetzt. Eigentlich sollte ich sie anrufen und mich bei ihr entschuldigen ... Aber ich trau mich nicht. Schließlich ist da immer noch die Sache mit Marsha Mellow.
Meine Ablenkungstaktik bestand darin, mich in die Arbeit zu stürzen - was gar nicht so einfach war. Ich versuchte, mir an Tony Blair ein Beispiel zu nehmen, wie er von einer Kabinettssitzung zur nächsten hechtet, um Politik zu machen und sich mit der EU herumzuschlagen. Andererseits, müsste er sich den ganzen Tag ausschließlich mit langweiligem Bürokram und gebrauchten Teebeuteln auf der Küchenanrichte der Downing Street beschäftigen, wäre er genauso arm dran wie ich. Nichtsdestotrotz habe ich mich selbst übertroffen - indem ich regen Enthusiasmus für den Bürokram und gebrauchte Teebeutel an den Tag legte was auch wunderbar geklappt hat, bis vor einer halben Stunde. Da bekam ich einen Anruf von Mary.
Während der Mittagszeit belegen spärlich bekleidete Büroangestellte normalerweise jeden einzelnen Zentimeter Wiese am Soho Square. Allerdings nicht heute. Könnte etwas mit dem Umstand zu tun haben, dass es regnet ohne Ende. Heute bin ich die Einzige hier, zusammengekauert auf einer triefenden Parkbank. Ich sehe auf meine Uhr. Mary ist zwanzig Minuten zu spät. Dabei ist ihr Büro gerade einmal zwei Minuten von hier entfernt - auf der Dean Street über einer Pizzeria -, sodass sie mir eine verdammt gute Ausrede liefern muss. Ich will bereits aufgeben und mich auf den Weg zurück ins Büro machen, als ich sie auf mich zuwalzen sehe wie eine aus der Form gegangene Paula Radcliffe.
»Tut mir Leid, Engelchen, tut mir Leid«, keucht sie außer Atem und bricht auf der Bank neben mir zusammen. »Ich musste diese Pressetante von der Mail abhängen. Die verfolgt mich immer noch auf Schritt und Tritt. Ich habe sie vorhin in mein Fitnessstudio gelotst. Dort habe ich meinem sadistisch veranlagten Pilates-Trainer zu verstehen gegeben, dass er sie in seinem Kurs um Viertel nach eins festhalten soll. Mit etwas Glück hat sie sich inzwischen eine ernsthafte Verletzung an der Wirbelsäule zugezogen.«
»Ich bin patschnass, Mary«, unterbreche ich sauer. »Können wir vielleicht zur Sache kommen?«
»Tut mir Leid, dass ich dich von der Arbeit wegholen musste, aber es ist wichtig. Ich hatte nämlich das Gefühl, dass wir am Telefon nicht richtig reden können, zumal du mich ja ständig anfauchst. Also, mach dich auf großartige
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