Marsha Mellow
befiehlt Deedee.
»Kann nicht«, entgegne ich, wobei meine Augen feucht werden. »Meine Kontaktlinsen bringen mich nämlich gleich um.«
Daraufhin schnappe ich mir meine Jacke und ergreife schleunigst die Flucht, wobei ich die fassungslose Deedee beinahe über den Haufen renne.
KAPITEL 17
Zwanzig Minuten harre ich bereits in meinem Versteck aus. Ich stehe vor dem Ausgang unseres Bürogebäudes und spähe durch die Scheibe. Diesen Ausgang kann ich nicht nehmen. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite lungert nämlich Colin Mount vor einem Geschäft herum. Aber zurück nach oben kann ich auch nicht, denn dann müsste ich an Deedee vorbeigehen, die nur darauf wartet, mir meine Kündigung zu übergeben. Allerdings kann ich auch nicht den ganzen Abend hier herumstehen, also, um es kurz zu machen, habe ich keinen blassen Schimmer, was ich tun soll. Mein einziger Trost ist, dass der schmierige Fettsack nicht mit der Mail telefoniert, solange ich ihn hier im Blick habe.
Aber das ist nur ein verflucht schwacher Trost, weil das eindeutig und ohne Zweifel der allerschlimmste Albtraum in meinem ganzen Leben ist - bislang jedenfalls. Und als wäre das nicht schon genug, habe ich mir jetzt auch noch einen Erpresser angelacht... beziehungsweise Lisa war das. Diese verdammten Gelben Seiten.
Allerherzlichsten Dank, Schwesterlein.
Ich könnte sie auf der Stelle umbringen.
Wenn ich genauer darüber nachdenke - und das tue ich schon seit geschlagenen zwanzig Minuten -, wird mir klar, dass ich alles ihr zu verdanken habe. Wirklich alles. Die Tatsache, dass sie ihr Maul mal wieder so weit aufgerissen hat, dass Colin Mount uns belauscht hat. Die Tatsache, dass mein Buch veröffentlicht worden ist. Die Tatsache, dass ich mich für das Treffen mit Jake total in Schale geworfen habe und beinahe mit einer polnischen Prostituierten im Bett gelandet wäre (die sich als ziemlich niedlich entpuppt hat, aber das tut hier nichts zur Sache). Die Wahrheit ist, dass diese Situationen, in denen Lisa mich in die Scheiße reitet, schon seit Jahren gang und gäbe sind. Wer hat mich denn damals vor die Kamera geschubst, als ich vierzehn war und Michael Barrymore mit seiner My Kind Of People-Show in Brent Cross gastierte? Klarer Fall, Lisa. Obwohl ich nur eine Strophe von »The Wind Beneath My Wings« gesungen habe und mein Auftritt nie ausgestrahlt worden ist, lässt mich der Gedanke daran heute noch in kalten Schweiß ausbrechen.
Aber Lisa umzubringen wäre nicht fair, oder? Nein, stattdessen sollte ich sie fesseln und mit Küchenutensilien mehrere Wochen lang qualvoll foltern ... Und anschließend umbringen.
»Amy, was machst du da?«
Ich drehe mich um und sehe, dass Julie mit einer ganzen Horde Mädels aus dem Büro im Schlepptau aus dem Fahrstuhl tritt. Sie sieht... umwerfend aus. Eher wie die neue Mrs. David Beckham als die Verlobte von irgendeinem ewigen Ersatzspieler, den kein Schwein kennt.
»Ich dachte, du wärst schon weg«, sagt sie und bleibt vor mir stehen.
»Nein«, erwidere ich, wobei ich meine Chance zur Flucht wittere. »Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich dich mit dem Reißverschluss hängen lasse.«
Ich tauche schnell mitten in dem gackernden Haufen unter, der auf die Straße hinausströmt. Julie hakt sich bei mir unter, offenbar erfreut darüber, dass ich meine Meinung geändert habe. Nachdem wir ein Stück gegangen sind, wage ich einen Blick über die Schulter.
Verflucht.
Man hat mich entdeckt. Colin Mount ist knapp zehn Meter hinter uns. Jetzt winkt er mir zu. Daraufhin beschleunige ich meinen Schritt, sodass ich Julie praktisch die Beine wegreiße.
»Was hetzt du denn so?«, sagt sie verwundert. »Der Abend ist noch lang.«
Normalerweise besteht meine taktische Verhaltensweise auf Partys darin, die nächste Ecke aufzusuchen und möglichst mit der Wand zu verschmelzen - zu diesem Zweck habe ich mir auch eigens mehrere Abendkleider mit typischem Blumentapetenmuster zugelegt. Aber heute Abend ist das anders. Heute Abend bin ich ein geselliger Schmetterling, der von einer Gruppe zur nächsten flattert und keine Unterhaltung scheut. So habe ich mich mit dem kaufmännischen Leiter von Working Girl über den Rückgang der Anzeigeneinnahmen unterhalten, mit irgendeinem Glatzkopf, dessen Name mir entgangen ist, über Ferienwohnungen in Florida und mit Julie über das Thema Sex - jetzt weiß ich, an welchen öffentlichen Plätzen sie es bereits getrieben hat (insgesamt dreizehn an der Zahl). Ich habe mir von dem
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