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Marter: Thriller (German Edition)

Marter: Thriller (German Edition)

Titel: Marter: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Holt
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war nur aus dem Grund auf freiem Fuß, weil die Treuhänder der Stiftung, Männer, denen er kein bisschen vertraute und die er deshalb hasste, sich bereit erklärt hatten, für ihn zu bürgen.
    Daniele hatte keinen Zweifel daran, dass sein Vater geglaubt hatte, diese Lösung sei für seinen Sohn die beste. Die schwierigen Jahre als Teenager und seine Verwicklung in die gerade erst entstehende Hackerszene hatten die Schuldgefühle noch verstärkt, die seine Eltern wegen seiner Entführung und der Verstümmelung empfunden hatten, und sie letzten Endes davon überzeugt, dass er viel zu weltfremd war, um sich um seine eigenen Angelegenheiten zu kümmern. Doch wusste er auch, dass man seinem Vater geraten hatte, dies sei der wirksamste Weg, dafür zu sorgen, dass Daniele seine Kunst niemals würde verkaufen können. Als man ihn also vor die Wahl stellte, seine geschätzte Sammlung zu bewahren oder sie seinem Sohn zu vermachen, der damit anstellen konnte, was er wollte, da hatte Matteo Barbo sich für Ersteres entschieden.
    Inzwischen war dieser Sohn natürlich als Unternehmer zu einiger Bekanntheit gelangt, etwas, das seine Eltern niemals hätten vorhersehen können. Die Website, die Daniele geschaffen hatte, Carnivia.com, konnte nämlich weit mehr Nutzer vorweisen, als Wikipedia sie angeblich hatte. Doch das Ganze als ein lukratives Geschäft zu bezeichnen wäre falsch gewesen. Anders als Google oder Facebook wurden die auf Carnivia gespeicherten Daten nie zu Marketingzwecken genutzt oder an größere Konzerne weiterverkauft. Man fing sich nicht wie anderswo Adware oder Cookies ein, die automatisch heruntergeladen wurden, und es wurde nicht nachverfolgt, welche Seiten man besuchte, nachdem man die Seite verließ. Im Laufe der Jahre waren zahlreiche Möchtegern-Investoren an ihn herangetreten, um ihm Vorschläge zu unterbreiten, wie er damit im großen Stil Geld verdienen könnte. Er hatte jedes Mal dankend abgelehnt.
    Das Boot machte nun am Privatanleger der Ca’ Barbo fest. Als Daniele auf die feuchten Holzbretter stieg, musste er unweigerlich zu der neugotischen Fassade hochblicken. Der viktorianische Kunstkritiker John Ruskin hatte die Ca’ Barbo als den »außergewöhnlichsten kleinen Palazzo in Venedig« bezeichnet. Jetzt, über ein Jahrhundert später, war das gesamte Erdgeschoss nicht mehr bewohnbar, da der steigende Meerespegel das Haus bedrohte. Beim letzten acqua alta war das Wasser ungehindert ins Haus gerauscht, so gewaltig wie die Flut, die die Sandburg eines Kindes überspülte. Das Gebäude bestand in erster Linie aus Stein und Marmor, daher würde nichts Wesentliches verrotten. Doch das Hochwasser hatte Spuren an den Wänden und einen säuerlichen Gestank hinterlassen.
    Er ging nach oben und begab sich unverzüglich in das alte Musikzimmer des Palazzos. Neuerdings fanden sich darin vier NovaScale-Server, Computer, die so leistungsstark waren, dass der Raum selbst im tiefsten Winter mit tragbaren Lüftungsgeräten gekühlt werden musste. Im Gegensatz zu den Schränken mit Einlegearbeiten und den Samtvorhängen, die die anderen Zimmer in der Ca’ Barbo zierten, befanden sich in diesem Raum Möbel, die er selbst ausgesucht hatte – schlichte Schreibtische von Ikea, billige Melamin-Arbeitsflächen und Bürostühle mit Rollen. Einzig das technische Equipment war vom Allerbesten und Teuersten – riesige Bildschirme, glänzende Tablets, Tastaturen, die in der ewigen Düsternis ein sanftes Licht aussandten. Leuchtbalken, die sich in Echtzeit hoben und senkten wie die Wellen der Lagune, demonstrierten durch ihr Pulsieren, wie viele Hunderttausende User sich in einem bestimmten Moment auf einem der Chipsätze der NovaScale-Server tummelten. Nach ihrem Anschwellen und Abebben konnte man die Uhr stellen, ähnlich zuverlässig waren sie wie die venezianischen Gezeiten: das sanfte Ansteigen, wenn die amerikanische Ostküste erwachte, das Hochschnellen, wenn die Kinder in Kalifornien von der Schule heimkamen, das flackernde Abklingen, wenn Europa sich allmählich zur nächtlichen Bettruhe begab.
    Er setzte sich vor einen der Bildschirme und loggte sich ein. Sie erwarteten ihn bereits online. Eric, Anneka, Zara und Max. Im Prinzip waren sie seine Angestellten, doch bezweifelte er, dass sie sich selbst als solche sahen. Sie waren die genialen Hexenmeister, die hinter Carnivia steckten: jene Programmierer, die Straßen säuberten und desinfizierten, dunkle Seitengassen überwachten und Streitangelegenheiten

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