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Marter: Thriller (German Edition)

Marter: Thriller (German Edition)

Titel: Marter: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Holt
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da die umgesiedelten mafiosi dort im Norden ganz einfach neue Organisationen aufbauten, indem sie sich derselben Mittel wie Bestechung und Einschüchterung von Zeugen bedienten, die sich schon in ihrer früheren Heimat bewährt hatten. Piola hatte drei Verurteilungen in sieben Fällen bewirkt – nicht unbedingt eine große Menge, aber doch ein echter Rekord. Man munkelte, dass seine Vorgesetzten, von denen einige auffallend weniger Erfolge vorweisen konnten, wütend auf ihn waren, da er sie hatte schlecht dastehen lassen, und allein aus diesem Grund würde er es wohl nicht viel weiter als bis zum Colonnello bringen – ein relativ niedriger Rang in einem Land, in dem man noch den langsamsten Zug als »Express« bezeichnete und das herkömmlichste Olivenöl schon als »extra vergine« galt.
    Ermuntert von dem Wein, fragte sie ihn danach, doch er lachte nur.
    »Warum sollte ich denn befördert werden wollen? Glauben Sie etwa, als General der Carabinieri hat man ein einfaches Leben? Man verbringt den Großteil seiner Zeit in Meetings und wird wegen der Fehler anderer angeschnauzt.« Dann wurde er ernst. »Als ich noch sehr jung war, da dachte ich, ich würde mal Priester werden wollen. Aber zeigen Sie mir bitte einen Priester, der in seinem Job so viel bewirkt, wie wir das tun. Wenn man gute Arbeit leistet, dann gibt es doch nichts Befriedigenderes, als wenn jemand, der ein Verbrechen begangen hat, ins Gefängnis wandert, erst recht, wenn man selbst derjenige war, der ihn dorthin geschickt hat.« Er seufzte und wurde schlagartig ganz schwermütig. »Natürlich kommt es in diesem Land leider nur allzu oft vor, dass es nicht so weit kommt – dass die Richtigen ins Gefängnis wandern, meine ich. Und aus dem Grund kommen einige Beamte irgendwann zu dem Schluss, dass es keinen Sinn hat, sich zu bemühen.«
    Wie außergewöhnlich Piola war, zeigte sich, als er schließlich nach der Rechnung verlangte. Der Besitzer verkündete unverzüglich, dass er einem Mann der Carabinieri immer gern ein Essen spendierte, da er sich auf diese Weise erkenntlich zeigen wollte für sichere Straßen, und er bewundere die Carabinieri ja weit mehr als diese stinkfaulen und unnützen Beamten der Staatspolizei und so weiter. Piola aber ließ sich nicht darauf ein. Er wartete geduldig ab, bis der Mann fertig war, dann zog er zwei Zwanzigeuroscheine aus der Tasche und erklärte höflich: »Ich bekomme dann noch vier Euro Wechselgeld.« Offenbar hatte er die ganze Zeit schon den Rechnungsbetrag im Kopf gehabt.
    Und doch, als sie versucht hatte, ihren Anteil zu bezahlen, da hatte er gegrummelt, er würde mehr verdienen als sie, und außerdem hätte er sie eingeladen. »Wenn Sie mich mal einladen, dann können Sie gern die Rechnung übernehmen«, meinte er in einem Ton, der keine Widerrede duldete.
    »Na schön. Dann zahle ich eben das nächste Mal«, erwiderte sie und stellte zugleich fest, dass sie sich insgeheim bereits darauf freute.
    Jetzt, während sie sich Poveglia näherten, wurde das Boot langsamer. Ein alter Anleger kam in Sicht, der aussah, als wäre er jahrelang nicht mehr benutzt worden. Doch der Fahrer steuerte stattdessen auf eine rissige Buhne zu.
    Die Insel war winzig: Etwa einen Kilometer in der Länge und nur halb so breit, ein Kanal zum Meer hin teilte sie an einem Ende in zwei Hälften. Überall wuchsen Bäume und wildes Gestrüpp, lediglich ein hässlicher Ziegelturm ragte aus der Vegetation hervor. Vermutlich befand sich dort die verfallene Klinik. Sie wusste, dass dies nicht die einzige Laguneninsel war, die verlassen war. Weiter nördlich lag Santo Spirito, ebenfalls nicht mehr bewohnt, und die achteckige Festung im Süden war ebenfalls verfallen, solange sie denken konnte. Immer wieder war die Rede davon, man wolle diese kleineren Inseln mit Luxushotels bebauen, doch die Pläne scheiterten jedes Mal zwangsläufig an den hohen Transportkosten, um das Baumaterial über die Lagune dorthin zu schaffen; ganz zu schweigen von den äußerst komplizierten Auflagen für Bauvorhaben, vor denen selbst diejenigen mit den besten Beziehungen kapitulierten.
    Piola stemmte sich an Land und reichte Kat die Hand, um ihr heraufzuhelfen.
    »Hier war vor Kurzem erst jemand«, stellte sie fest, als sie etwas auf dem Boden entdeckte. Sie hob es mit einem Beweismittelbeutel auf und betrachtete es. Es handelte sich um eine Zigarettenkippe, allem Anschein nach noch recht frisch.
    »Wieder Jin Ling«, bemerkte er, während er den Stumpen betrachtete.

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