Marter: Thriller (German Edition)
auf eine Beteiligung vom Militärgeheimdienst, Camp Ederle und der kroatischen Armee hingewiesen hatte. Wenn man nämlich derlei kleinen Zufällen Bedeutung beimaß, dann dauerte es nicht lange, und man dachte wie einer von diesen durchgeknallten Verschwörungstheoretikern.
11
Daniele leerte eine Dose Red Bull in eine halbe Tasse Kaffee und rührte die Mixtur mit dem Ende eines Bleistifts um, ehe er sie in drei großen Schlucken hinunterstürzte. Er versuchte, nicht darüber nachzudenken, wie das Ganze schmeckte.
Sie waren die ganze Nacht wach gewesen und durch die elektronischen Tunnel und Hintertüren im Inneren von Carnivia gekrochen, Orte, von denen nur diese kleine Gruppe wusste. Sie hatten gesucht. Gesucht nach etwas, das sie womöglich nicht mal erkennen würden, wenn sie es vor sich hatten.
Der Grund für die behördliche Hetzjagd auf ihn, davon war er überzeugt, lag irgendwo in der Welt von Carnivia. Das hier war kein willkürlicher Angriff auf eine Kommunikationsplattform, über die man keine Kontrolle hatte. Irgendjemand suchte nach etwas ganz Bestimmtem, einem Gesprächs-Thread oder irgendwelchen pikanten Informationen, die jemand hochgeladen hatte, und um dieses Etwas zu finden, waren diese Leute bereit, ihn zu vernichten.
Was wiederum bedeutete, dass ihre Suche bislang erfolglos geblieben war.
Er war sich nicht sicher, was genau er tun würde, wenn er und seine Programmierer als Erste darauf stießen. Was auch immer es war, es wäre mit ziemlicher Sicherheit verschlüsselt und nicht zurückverfolgbar, wie der Großteil der Aktionen auf Carnivia. Trotzdem hoffte er, dass er anhand der Größe und der Form sowie anhand des Musters an Uploads herausfinden würde, womit er es zu tun hatte.
Du weißt doch , schrieb Max auf der anderen Seite der Erde, es besteht durchaus auch die Möglichkeit, dass wir ihnen direkt in die Hände spielen.
Wie denn das?
Sie haben doch versucht, sich in Carnivia einzuhacken, und es nicht geschafft, oder? Auf der Suche nach genau derselben Sache wie wir. Und jetzt übernehmen wir das für sie.
Daniele fuhr sich erschöpft mit der Hand durchs Haar. Dann schrieb er weiter. Du hast recht. Plan A ist beschissen. Wenn ich einen Plan B hätte, dann würden wir uns jetzt vermutlich an den machen. Aber ich hab keinen. Also suchen wir weiter .
12
Holly nahm die Akten aus dem Archiv mit ins Büro und betrachtete sie eingehender. Drei Pakete zu je ungefähr zwanzig Seiten lose im Hefter steckender Blätter. Sie versuchte es damit, einige der slawischen Worte bei Google Translate einzugeben, doch die vielen Häkchen und andere ihr nicht bekannte Akzente brachten ihr amerikanisches Keyboard an seine Grenzen.
»Mike, haben wir irgendwen im Camp, der Serbokroatisch kann?«, erkundigte sie sich bei ihrem Boss.
»Keine Ahnung. Aber ich könnte die eine oder andere Mail schreiben, wenn Sie möchten. Geht es immer noch um diese Open-Government-Anfrage?«
»Leider ja.«
»Ehrlich gesagt, ich bezweifle, dass Sie jemanden finden werden. Das Pentagon wird wohl keinen Nutzen darin gesehen haben, nach dem Kosovokrieg eigens Übersetzer in diesen Sprachen auszubilden, und das ist ja immerhin schon mindestens fünfzehn Jahre her. Die Welt ist nicht mehr die gleiche, nicht wahr?«
»Stimmt«, erwiderte sie seufzend. Durch ein nahes Fenster sah sie ein Dutzend Soldaten, die sich auf dem Exerzierplatz gegenüberstanden. Das Ganze sah nach Spaß aus – oder zumindest war es eine körperliche Herausforderung. Einen kurzen Moment lang bedauerte sie, dass sie Barbara Holton nicht einfach mit einem Formschreiben und ein paar platten Floskeln abserviert hatte.
»Ich wüsste da aber jemanden, bei dem Sie es versuchen könnten«, sagte Mike.
Sie widmete ihm wieder ihre volle Aufmerksamkeit. »Ja?«
»Ian Gilroy. Er war Oberhaupt der örtlichen Abteilung der CIA , ehe er in Ruhestand ging. Ein echter Soldat des Kalten Krieges, ganz vom alten Schlag. Er kommt ab und an ins Camp und hält Vorlesungen.« Mike verzog das Gesicht. »Ich war in einer von ihnen, schon eine Weile her. Kann nicht gerade sagen, dass das Ganze sonderlich fesselnd war. Ich habe so den Verdacht, dass das ein willkommener Vorwand für ihn ist, um hier vergünstigt im PX -Store einzukaufen, seinen Wagen durchchecken zu lassen und mit den anderen Veteranen zu quatschen. Sie wissen ja, wie das so ist bei diesen Ruheständlern.«
»Klar«, meinte sie. »Ian Gilroy also. Danke. Ich versuch’s bei ihm.« Plötzlich kam ihr ein
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