Marter: Thriller (German Edition)
jeder, der diese Seite besucht hat, auch diese hier angewählt hat.« Wieder deutete sie auf eine Zeile. »Carnivia.com. Das war’s dann.«
»Carnivia? Das hat doch was mit diesem Barbo-Sohn zu tun, oder nicht? Der Junge, der von den Roten Brigaden gekidnappt wurde?«
»Ganz genau. Doch ich verstehe nicht, wo es da eine Verbindung gibt. Nach allem, was ich in den Zeitungen gelesen habe, ist Carnivia eine Art Klatschseite. Sie wissen schon, Schulkinder tauschen sich darüber aus, wer auf wen steht, so in der Art.«
Wieder herrschte Schweigen. Kat bemerkte, dass sie doch tatsächlich vor Müdigkeit schwankte.
Auch Piola entging dies nicht. »Zeit, dass Sie nach Hause verschwinden, Capitano. In den nächsten Wochen kommen noch viele Nachtschichten auf uns zu, da kann ich es nicht brauchen, dass Sie übermüdet sind.«
Der Restaurantbesitzer wählte exakt diesen Moment, um sich mit zwei Gläsern Grappa zu ihnen zu gesellen. »Ich nehme gern einen«, sagte Piola und griff sich ein Glas. »Aber sie geht jetzt.«
Kat war viel zu müde, um zu protestieren, trotzdem nahm sie dem Mann den zweiten Grappa ab. »Nur noch zehn Minuten.«
Es verging eine weitere Stunde, ehe sie sich losreißen konnte, und dann dauerte es noch eine, bis sie zurück in ihrer Wohnung war. Doch trotz ihrer Erschöpfung war sie noch nicht bereit zu schlafen.
Sie spürte das unwiderstehliche Kribbeln von größeren Ermittlungen, den Rausch – es gab kein anderes Wort dafür – der Jagd. Sie hatte ältere und erfahrenere Beamte davon sprechen hören, dass der Druck einer Mordermittlung, das Rennen um das Sammeln von Spuren, solange sie noch frisch waren, ungefähr so süchtig machen konnte wie Kokain und ebenso zerstörerisch wirkte auf Dinge wie Familienleben, Normalität, den Schlaf. Jetzt konnte sie das endlich nachvollziehen. Erschöpfung und Erregung kämpften in ihrem Kopf gegeneinander an.
Und da war noch etwas: Irgendetwas nagte an ihr, etwas, das sie längst vergessen hatte.
Während sie sich das Make-up vom Gesicht wusch, ging sie im Geiste noch einmal ihre Aufgabenliste durch. Sie musste Malli noch einmal bearbeiten, ob er nicht doch Informationen aus dem durchnässten Laptop holen konnte. Das Gleiche galt für Barbara Holtons Handy. Sie musste die Spuren der beiden Frauen in die Welt von Carnivia verfolgen. Ihre Namen bei Interpol und den entsprechenden Botschaften überprüfen lassen, um zu sehen, ob gegen eine von ihnen irgendetwas vorlag, und dann damit beginnen, ihre nächsten Verwandten zu kontaktieren. Sie musste überprüfen, ob die Patrone, die Barbara Holton getötet hatte, der aus dem Autopsiebericht von Jelena Babi ć entsprach. Sie musste die Aussagen der anderen Hotelangestellten durchgehen, für den Fall, dass einer von ihnen etwas gesehen hatte. Sie musste der Sache mit den markierten Anzeigen von Prostituierten nachgehen – was hatte das wohl zu bedeuten?
Und noch etwas, eine Sache, die sich ihr immer noch zu entziehen schien.
Piola. Sie hatte Piola erklärt, sie würde … etwas tun. Sie sah ihn jetzt vor sich, wie er mit diesem nachdenklichen Ausdruck im Gesicht, der typisch für ihn war, nickte. Er war nicht wie die meisten anderen älteren Polizeibeamten, schroff, zynisch und voller Spott. Er hatte etwas von einem Akademiker an sich, ebenso aber auch etwas lässig Elegantes. Irgendwie summierte sich das alles zu einer Qualität, die in ihr den Drang weckte, sich sein Lob zu verdienen.
Der Druck, den sie verspürte, so wurde ihr nun klar, rührte nicht nur daher, dass sie Beweise sammeln musste. Sie fühlte vielmehr den Drang, sich Colonnello Piolas Respekt zu verdienen.
Dann fiel es ihr wieder ein. Sie hatte ihm erklärt, sie würde jemanden finden, der einen anderen theologischen Standpunkt zum Thema weibliche Priesterschaft einnahm als Pater Cilosi.
Sie trat an ihr Laptop, gab das Stichwort »Priesterinnen« bei Google ein und überflog rasch die Suchergebnisse. Einige Seiten drückten Bedauern aus, sie enthielten ausschweifende Rechtfertigungen, warum die Autoren die Position des Papstes widerstrebend akzeptierten, sich jedoch weiterhin dagegen aussprachen »aus einer Gewissenshaltung des Respekts heraus«. Einige wiesen wütend darauf hin, dass die Bibel voll war von misogynen Bezügen auf die rituelle Unreinheit der Frau.
Im Buch Levitikus, dem dritten Buch Mose, in Kapitel 15, Vers 19 bis 30 steht geschrieben: »Wenn eine Frau ihren Blutfluss hat, so soll sie sieben Tage für unrein gelten … Und
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