Marter: Thriller (German Edition)
unvermittelt hervor und bekreuzigte sich.
Kat folgte seinem Blick.
Aus einem der Behälter ragten die Füße eines Mannes hervor, an denen Gummistiefel steckten, wie die Fischer sie trugen. Kat sah sofort nach dem Rest des Körpers und achtete nicht auf Piolas warnende Worte. Es dauerte eine Weile, ehe der Anblick für sie einen Sinn ergab – der Krebscontainer musste tiefer sein, als es den Eindruck machte, oder aber man hatte diese Steine auf den Leichnam geschichtet, oder …
Dann bewegten die vermeintlichen Steine sich urplötzlich, und mit einem Mal wurde ihr klar, was sie da sah. Sie stieß einen Schrei aus und wich gerade noch rechtzeitig zurück; sie schaffte es ganz knapp, den Kopf wegzudrehen, als die Galle ihre Kehle hochstieg. So verunreinigte sie den Container wenigstens nicht mit ihrer Kotze. Doch den Anblick dieser Krebse würde sie wohl nie vergessen: Dutzende von ihnen bewegten sich dort unten, wie winzige Modellpanzer, rastlos und ohne Rücksicht schoben und zerrten sie sich gegenseitig aus dem Weg, die fedrigen Klauen tief vergraben im Fleisch. Sie rissen es in Fetzen, und es wirkte so, als wäre das Gesicht des Mannes von innen heraus explodiert. Eine Augenhöhle war bis auf den Knochen sauber abgenagt und erinnerte an einen Eierbecher; und der Hals bestand inzwischen aus nicht viel mehr als ein paar Hautfetzen, die an den grauen Wirbeln hingen. Sie hatte auch gesehen, wie einer der größeren Krebse seine dicke rechte Schere an das Maul geführt hatte mit einem Fetzen weißen Fleisches zwischen den Zangen …
Ein weiteres Mal ergoss sich ihr Erbrochenes über den Betonboden. »Tut mir leid«, keuchte sie.
»Denken Sie sich nichts. Das ist … Ich habe noch nie etwas Vergleichbares gesehen.« Piola legte ihr den Arm um die Schultern, und selbst sein Gesicht war jetzt kreidebleich. »Lassen Sie uns nach draußen gehen.«
Er ließ sie auf einem der hölzernen Wellenbrecher direkt am Meer Platz nehmen, wo der Wind aus den Bergen ihre Lunge wieder mit frischer Luft füllte.
»Bleiben Sie hier«, wies er sie an, als er sicher sein konnte, dass sie nicht in Ohnmacht fallen würde. Er ging wieder nach drinnen. Sie hörte etwas spritzen, dann vernahm sie das Geräusch einer Bürste auf nassem Beton.
Nach ein paar Minuten gesellte er sich wieder zu ihr. »Ich habe alles weggewischt. Keiner wird was mitkriegen. Und machen Sie sich keine Gedanken – es besteht nicht die geringste Chance, dass auf diesem Boden hilfreiche DNA -Spuren zu finden gewesen wären. Wir haben keine Beweise zerstört.«
»Vielen Dank«, sagte sie, dankbar sowohl für das »Wir« als auch für das Saubermachen.
Er tat ihre Worte mit einer wegwerfenden Geste ab. »Vergessen Sie es einfach. Dann geben wir jetzt besser Bescheid. Die müssen das alles genau unter die Lupe nehmen. Wie es aussieht, stehen da drinnen ein paar Kisten Jin-Ling-Zigaretten, säuberlich eingeschweißt in Zellophan. Das passt also zu dem, was Lucio uns über die Schmuggelei erzählt hat. Und hinten gibt es noch einen Raum mit einer alten Matratze darinnen. Ich habe außerdem Stricke gefunden – Fischereiseile, aber mit Zugknoten. Für mich sieht es ganz so aus, als wäre da drinnen jemand gefesselt gewesen.«
»Das Opfer?«
»Möglich. Oder vielleicht eines seiner Opfer. Was auch immer es ist, ich glaube jedenfalls nicht, dass Marcello seine bescheuerte Lesbentheorie jetzt noch aufrechterhalten kann.«
Es dauerte Stunden, ehe der Gerichtsmediziner und die Leute von der Spurensicherung am Tatort eintrafen. In der Zwischenzeit schleppte Piola Kat in eine Bar, damit sie sich mithilfe einiger Grappas wieder aufpäppeln konnte. Noch länger allerdings dauerte es, ehe man einen Weg gefunden hatte, wie man die Überreste des Leichnams am besten aus dem Behälter barg. Als Riccis sterbliche Überreste schließlich fein säuberlich in Tüten verpackt und an die Gerichtsmedizin übergeben waren, trat Piola auf die Männer zu, um ein paar Worte mit ihnen zu wechseln.
»Was wird aus den Krebsen?«
Der Cheftechniker warf einen Blick zu den Containern und zuckte mit den Schultern. »Mit denen können wir nichts anfangen.«
»Würden Sie mir wohl einen Gefallen tun? Werfen Sie sie zurück ins Meer. Wenn wir sie hierlassen, dann landen sie früher oder später auf dem Markt, und dieser Fall ist so schon makaber genug.«
Anschließend begaben sie sich zu zweit zu der Witwe, Mareta, um sie über den Tod ihres Mannes in Kenntnis zu setzen. Doch war ihnen klar,
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