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Martha Argerich

Martha Argerich

Titel: Martha Argerich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bellamy
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Ausnahmekünstler und einer der größten Pianisten überhaupt. Sein Spiel ist zugleich von leidenschaftlicher Wucht und raffiniertem Esprit, mächtig und irrlichternd, beeindruckend sowohl bei Chopin als auch bei Debussy, den Demiurgen des Klaviers. Selbst den virtuosesten Stücken begegnet er mit unvergleichlicher Eleganz und prägt mit seinem verinnerlichten und distanzierten Stil das romantische Repertoire. Seit dem Jahr 2000 hat seine Karriere ohne ersichtlichen Grund plötzlich an Aufwind gewonnen. Aufmacher in Le Monde de la musique, Exklusivvertrag mit Decca, Kinostart eines Film-
porträts von João Moreira Salles … Nelson Freire ist ein Star geworden. Er war dazu bereit. Trotz aller Freude über seinen Erfolg hat Martha sich ein wenig verlassen gefühlt.
    Ein Lebensrhythmus wie derjenige ihres Freundes, mit all den Recitals und Konzertreisen, kann sie nicht mehr verlocken. Aber sie sieht natürlich, wie er aufblüht, wie er vor Glück erstrahlt und sich vollends auf sich selbst konzentriert – und das ärgert sie ein wenig. Möglicherweise ist er sogar mit dafür verantwortlich, dass sie wieder angefangen hat, Soloauftritte zu geben. Er hatte ihr geraten, die Diabelli-Variationen von Beethoven in ihr Repertoire aufzunehmen, und ihr sogar die Noten dazu geschenkt. Wer weiß, vielleicht eines Tages …? Noch zieht sie es vor, sich dieses Werk im Konzertsaal anzuhören, gespielt von Stephen Kovacevich.
    Manchmal beneidet sie ihren brasilianischen Freund um sein wohlgeordnetes Leben. Um seine Fernsehabende mit den alten amerikanischen Filmen, seine kleinen Absackerwhiskys, seinen getreuen Bosco Padilha, der ihm Gesellschaft leistet, ihm das Essen zubereitet und seine Reisen organisiert, stets mit einer Engelsgeduld und bestens gelaunt. Auch Martha hat immer jemanden bei der Hand, der ihr hilft. Aber wenn es sich stets um dieselbe Person handeln würde, wäre sie doch schnell gelangweilt, zumal sie es kaum erträgt, dass man sich um sie kümmert. Letztlich hätte sie wohl gern einen ganzen Trupp Freunde um sich herum, die verschiedene Rollen ausfüllen sollten, sofort verschwänden, sobald sie ihre Ruhe bräuchte, und just in dem Moment freudig wieder auftauchten, da sie sich ein wenig einsam fühlte.
    Ihr erster gemeinsamer Auftritt mit Nelson Freire in Brasilien erfolgte 2004. Eigentlich war es sogar eine regelrechte kleine Tournee: Rio, São Paulo, Porto Alegre. Überall der gleiche enthusiastische Empfang: Blumensträuße, Wangenküsse, ausgestreckte Hände, Bravorufe. Im Herbst revanchierte sich Nelson Freire bei seiner Freundin und nahm am »Festival Martha
Argerich« in Buenos Aires teil. Beim sechzigsten Geburtstag des Brasilianers gaben Martha und drei Freunde ihm ein achthändiges Ständchen, das ähnlich endete wie Haydns Abschiedssinfonie : Die vier Pianisten verließen einer nach dem anderen die Bühne, aber auf brasilianische Art, indem sie ihre Kerze ausbliesen und Bossa nova tanzten. Nelson zufolge tanzte Martha mit einer unvergleichlichen Anmut – mit Sicherheit hat sie ihre Tanzschritte viel intensiver geübt als ihren Klavierpart!
    Martha war schon 1968 im Rahmen einer Tournee mit Mstislaw Rostropowitsch nach Rio de Janeiro gekommen. Sie hatte die Gelegenheit genutzt, Zeit mit Nelson zu verbringen, der kurz zuvor seine Eltern bei einem Autounfall verloren hatte, dessen einziger Überlebender er war. Es fehlte nicht viel, und es wäre während dieses Wiedersehens zu einem ernsten Zerwürfnis gekommen. Nelson freute sich darauf, Martha sein Heimatland zu zeigen. Doch Martha war wenig empfänglich dafür und beschwerte sich ständig über die Feuchtigkeit, die dazu führte, dass ihre Haare sich kringelten. Ein anderes Mal verkrachten sie sich wirklich, aus einem Grund, der geheim blieb. »Wir werden uns ein Jahr lang nicht sehen«, hatte Martha die Trennung besiegelt. Doch so lang hielt sie es nicht aus. Acht Monate später, als Nelson sich gerade in London erholte, klingelte das Telefon. Rafael Orozco, der bei ihm war, stand auf, um den Anruf entgegenzunehmen. Weil am anderen Ende der Leitung niemand sprach, legte er den Hörer wieder auf. Ein paar Sekunden später klingelte es erneut. Dieses Mal ging Nelson selbst an den Apparat und erkannte sofort Marthas Stimme: »Ich bin’s. Bist du immer noch sauer auf mich?«
    Noch in Brasilien hatte Nelson seine beiden großen Lieben einander vorstellen wollen: Guiomar Novaës und Martha Argerich. Ein delikates und gefährliches Unterfangen. Guiomar

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