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Martha Argerich

Martha Argerich

Titel: Martha Argerich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bellamy
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angriff. Eine Metastase hatte die Lunge befallen, und die Überlebenschancen waren minimal. Aber Martha hatte keine Angst mehr. Sie war fest entschlossen zu kämpfen.
    David Khayat empfahl ihr zwei Ärzte: Donald Morton in Los Angeles und Steve Rosenberg in Washington: »In Amerika sind Sie besser aufgehoben als hier. Das Verhältnis zu den Patienten ist dort ein anderes.« Sie schrieb den beiden Koryphäen einen Brief und fügte die Befunde bei, die Professor Velu aus Brüssel für sie ins Englische übersetzt hatte. Nur Morton reagierte auf ihren Brief. Am Telefon erklärte er ihr, er habe einen vielversprechenden neuen Impfstoff entwickelt, der allerdings noch nicht ausreichend erprobt worden sei, um langfristige Erfolge vermelden zu können. Weil sich der Impfstoff in Europa noch im Experimentierstadium befand, wodurch zu fünfzig Prozent das Risiko bestand, an ein Placebo zu geraten, blieb ihr nichts anderes übrig, als sich nach Los Angeles zu begeben. Morton, der spezialisiert auf Thoraxoperationen war, hatte ihr angeboten, selbst die Metastasen in ihrer Lunge zu entfernen. »Wenn Sie wollen, kommen Sie in fünf Tagen zu uns. Und drei Tage später sind Sie wieder draußen.« Die Alternative lautete, sich in den Staaten nur impfen und die Operation in Paris oder Brüssel vornehmen zu lassen.
    Martha beschloss, sich Dr. Morton anzuvertrauen. Das John-Wayne-Institut befindet sich in Santa Monica, einem der berühmtesten Viertel von Los Angeles, direkt am Meer. Weil von ihren Lieben niemand verfügbar war, hatte sich die Pianistin Akiko Ebi angeboten, Martha zu begleiten. Die Gewinnerin des fünften Platzes beim Chopin-Wettbewerb von 1980, dem Jahr des Pogorelich-Skandals, lebte seit ihrem Studium am Pariser Konservatorium in Frankreich. Juanita, überzeugt vom Ausnahmetalent der Japanerin, hatte sich sehr darum bemüht, ihr Auftritte zu besorgen. Ihr Tod hatte Akiko tief getroffen, und als Martha krank wurde, war ihr Juanita im Traum erschienen, die zu ihr sagte: »Kümmere dich um meine Tochter! Hilf ihr!« Von ihrer heiligen Mission erfüllt, hatte Akiko den Kontakt zu Martha gesucht und ihr viel Zeit geschenkt. Als die Reise nach Amerika anstand, packte sie wie selbstverständlich ihre Koffer. Drei Tage nach dem Anruf Mortons flogen die beiden Musikerinnen über Chicago nach Los Angeles. Der argentinische Pianist Eduardo Delgado, der in Los Angeles lebte, holte sie am Flughafen ab. Während sie in der Ankunftshalle auf ihr Gepäck warten mussten – drei Stunden lang –, begann Martha allmählich ihr Vertrauen zu verlieren. Sie schaute Akiko gerade in die Augen und fragte ein ums andere Mal: »Warum hast du mich hierhergebracht?«
    Im Sheraton Miramar, einem Luxushotel an der Ocean Avenue, belegten sie ein Doppelzimmer, weil Martha nicht alleine schlafen wollte. Da keine ihrer Kreditkarten akzeptiert wurde, nahm Akiko die Rechnung über 5000 Dollar entgegen, die die Rezeptionistin ihnen überreichte. Nun hieß es noch, das Geld für das Krankenhaus aufzutreiben: 60 000 Dollar für die Operation und 7000 Dollar pro Tag für Pflege und Unterkunft. Um die Zeit zu überbrücken, die die Bank benötigte, das Geld aus Europa anzuweisen, faxte die Columbia, die Marthas USA -Tourneen organisierte, ein Garantieschreiben. Weil die Devisen jedoch nicht so leicht zu transferieren waren, schlossen sich am Ende Charles Dutoit, ein argentinischer Pianist, ein uruguayischer Architekt und ein amerikanischer Konzertveranstalter zusammen, um die Summe vorzustrecken.
    Als Stephen Kovacevich sie in ihrem Hotel aufsuchte, brach Martha in Tränen aus – zum ersten Mal, seit der Krebs zurückgekehrt war. Stephen hatte extra seine Australientournee unterbrochen, um an ihr Krankenbett zu eilen.
    Während der Operationsvorbereitungen im Krankenhaus lernte Martha auch Dr. Mortons Assistenten David Davtyan kennen. Der Armenier, der während seines Medizinstudiums in Bukarest eine Rumänin geheiratet hatte, sprach sehr gut Französisch, weil er eine Zeit lang in Paris gelebt hatte. Als ehemaliger Assistent von Dr. Anderson aus Houston war er gerade erst von Dr. Morton eingestellt worden, den er als absolute Koryphäe auf seinem Gebiet betrachtete. David erklärte Martha, Morton habe als Erster erkannt, dass sich Krebs aufs Immunsystem des Patienten auswirke. Durch eine Steigerung der Antikörperproduktion habe er einen therapeutischen Impfstoff entwickeln können, an dem er nun schon seit fünfundzwanzig Jahren arbeite. Marthas Fall war

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