Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Martha im Gepaeck

Martha im Gepaeck

Titel: Martha im Gepaeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Herwig
Vom Netzwerk:
grinsen? Wollte sie etwa andeuten, dass alle Deutschen fettleibige Lügner waren? Hatte Gladys eigentlich in letzter Zeit mal selber in den Spiegel geguckt? Und was hatte das überhaupt mit Bernds Tollwutinfizierung zu tun?
    »Na, vielleicht in Zukunft mal nicht so viel Bratwurst essen, was?« Dr. Collins schmunzelte. »Ich hab hier irgendwo eine Broschüre über gesunde Ernährung, warten Sie mal, wo ist sie denn gleich?« Er wühlte in seiner Schublade herum und schien Bernd und Karen einen Moment lang völlig vergessen zu haben. Bernd warf Karen einen hilfesuchenden Blick zu.
    »Er kommt doch wegen der Tollwutimpfung«, sagte Karen daher mit fester Stimme.
    Dr. Collins winkte ab. »Ich weiß, ich weiß. Nur keinen Stress. In England gibt es keine Tollwut mehr. Wie sieht es eigentlich damit in Deutschland aus?«
    »Also … Ich habe keine Ahnung.« Jetzt hilf mir doch mal mit diesem Verrückten, signalisierte sie Bernd mit den Augen.
    »Es gibt sie vielleicht noch«, steuerte Bernd bei. »Oder auch nicht.«
    Dr. Collins drohte ihnen gutmütig mit dem Zeigefinger. »Ah. Das wissen Sie nicht. Nun, Sie mögen das bessere Bier haben und von mir aus auch besser Fußball spielen, aber die Tollwut, die haben wir besser im Griff, was?« Er lachte herzlich.
    Bernd sackte ernüchtert in sich zusammen – wie immer, wenn sich eine seiner katastrophalen Krankheiten als Luftnummer herausstellte. In Karens Kopf setzte jetzt allerdings ein leichter Schwindel ein. Dieser Dr. Collins brachte sie ganz durcheinander. Oder verstand sie ihn nur nicht richtig? Eigentlich war ihr Englisch doch gut? Besser jedenfalls als das von Bernd, auch wenn der sich immer einbildete, dass er wie Clint Eastwood klang.
    »Kriegt er jetzt ’ne Spritze oder nicht?«, erkundigte sich Gladys.
    »Eine Tollwutspritze?« Karen griff erschrocken nach Bernds Hand. Diese Dinger waren doch barbarisch.
    »Nein, braucht er nicht. Sie haben doch gesagt, dass das Reh ihn nicht gebissen hat.«
    »Ich habe gar nichts gesagt. Ich war nicht dabei«, bemerkte Gladys spitz.
    »Sie meine ich doch nicht, Gladys. Obwohl es ja keine Tollwut mehr gibt. Und auch keine Spritzen mehr in den Bauch, wie früher. Mein Studienfreund hat das vor zwanzig Jahren mal bekommen, der hat vielleicht geschrien. Und das war ein harter Kerl, das sage ich Ihnen.« Dr. Collins sah gedankenverloren aus dem Fenster. Dann öffnete er eine weitere Schublade. »Na, mal schauen, Tetanus wäre noch eine Möglichkeit. Wollen Sie Tetanus?« Er wühlte wieder in der Schublade herum wie ein Süßwarenhändler. »Tetanus hätten wir da. Müsste ich mal ausrechnen, ob die Dosis für Ihr Körpergewicht ausreicht.«
    »Ich glaube, das geht auch ohne.« Karen stand entschlossen auf, wobei sie Bernds Hand beruhigend drückte. »Das Reh hat ihn ja kaum berührt. Und wir wollen Sie auch nicht aufhalten, schließlich haben Sie das Wartezimmer voller Leute.« Sie schielte auf den Bierhumpen.
    »Hören Sie das, Gladys?«, rief Dr. Collins begeistert. »Das sind verantwortungsvolle Patienten. Die wollen uns nicht aufhalten. Sagen Sie das mal den Leuten da draußen. Die könnten sich ein Beispiel an Ihnen nehmen.« Er stand ebenfalls auf.
    »Beste Grüße an Ihre Schwester«, sagte Karen hastig und schob Bernd in Richtung Ausgang.
    »He«, rief es da von hinten. Sie drehte sich um. Dr. Collins hob seinen Bierkrug hoch. »Prost!« Er lachte.
    »Prost!« Karen schloss schnell die Tür hinter ihnen. Bloß raus hier. »Du meine Güte«, sagte sie erschöpft, als sie vor der Praxis standen. »Sollen wir zu einem anderen Arzt gehen?«
    »Ich weiß nicht«, stotterte Bernd verwirrt. »Aber offen gestanden, geht es mir auf einmal prächtig. Ich fühle mich überhaupt nicht mehr krank. Ich glaube, wenn ich hier wohnen würde, wäre ich der gesündeste Mensch der Welt.«
    »Bei diesen Behandlungsmethoden überrascht mich das nicht«, murmelte Karen und griff in ihre Tasche, um ihr Handy herauszuholen. »Ich rufe jetzt Mark an, damit wir sehen, wo sie … Oh.« Sie blieb wie angewurzelt stehen und sah ans Ende der Straße, wo eine Art Parade stattzufinden schien.
    »Ist das nicht Mark?«, fragte Bernd verblüfft.
    Karen nickte. Sie holte ihre Brille heraus. Mit offenem Mund sahen sie dem kleinen Trupp entgegen. Er bestand aus Martha, Teresa, mehreren Kindern und kapuzenvermummten Teenagern sowie Mark, der gemeinsam mit einem anderen jungen Mann etwas in die Luft gestemmt hatte und auf den Schultern trug. Einen Baumstamm? In

Weitere Kostenlose Bücher