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Martha im Gepaeck

Martha im Gepaeck

Titel: Martha im Gepaeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Herwig
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Plakat fast wie hundert aus. Nun, Karen sollte es egal sein. Im schattigen Biergarten kamen sie endlich mal zur Ruhe. Die Kinder mümmelten Pommes, Karen knabberte lediglich an einem Salat herum, damit der Reißverschluss nicht wieder aufsprang, und Martha verzehrte einen »Ploughman’s Lunch« mit Käse und Chutney. Bernd betrachtete gerade den faustgroßen braunen Batzen auf seinem Teller. Sein Haggis. Kartoffelbrei und zermatschte Rüben umringten ihn wie ein Schutzwall.
    Teresa verzog das Gesicht. »Musst du das essen, Papa?«
    »Das ist schottische Tradition«, entgegnete Bernd. »Das muss man einfach mal probiert haben. Und im Grunde ist es auch nichts anderes als eine Wurst.« Er pikte mit dem Messer in den Haggis. Sofort quoll eine grobkörnige Füllung aus dem Schlitz wie aus einer Wunde.
    »Übelst.« Mark schoss ein Foto. »Das sieht total pervers aus.« Er beugte sich wieder über sein Handy.
    Bernd ignorierte ihn. »Robert Burns hat sogar ein Gedicht über den Haggis geschrieben. Die berühmte ›Ode an einen Haggis‹.« Er räusperte sich. »Nice seeing your honest, chubby face, great chieftain of the sausage race!« Damit führte er die Gabel zum Mund und kostete. Sein Gesicht nahm einen überraschten Ausdruck an.
    »Der hat mit einer Wurst geredet?« Mark sah interessiert hoch. »Echt jetzt? Hatte der Asperger oder so? In der 8 b ist einer, der irgend so was hat. Der redet immer mit seinem Rucksack.«
    Bernd konnte nicht antworten. Der Haggis machte etwas in seinem Mund, vermehrte sich da drin, wie es aussah.
    »Was hat er denn zu der Wurst gesagt?«, wollte Teresa wissen.
    »Er hat den Haggis den großen Häuptling vom Stamme der Würste genannt«, übersetzte Martha.
    Mark nickte. »Ja, genau so ’n Zeug erzählt der aus der 8 b auch immer.«
    Bernd verschluckte sich und hustete. »Robert Burns hatte kein Asperger-Syndrom. Und du solltest nicht so abfällig darüber reden.« Er legte die Gabel wieder hin. »So ein Haggis ist ganz schön sättigend, schon nach wenigen Bissen. Interessant.«
    »Schmeckt’s?«, fragte Karen.
    »Hm, super«, verkündete Bernd. Er schob das aufgeschlitzte Bällchen auf seinem Teller hin und her.
    »Die haben dir aber viel gegeben«, bemerkte Martha. »Von wegen geizige Schotten.«
    »Willst du mal kosten?«, fragte Bernd in Richtung Karen. Bitte iss die Hälfte , flehten seine Augen.
    Normalerweise hätte Karen glattweg abgelehnt. Aber Bernd tat ihr leid. Er wirkte so verloren. »Gib mal her.«
    Erleichtert schob er ihr eine Gabel voll Haggis hin, und Karen kostete. Der Haggis hatte eine mehlige Konsistenz und breitete sich sofort wie ein Virus in ihrer gesamten Mundhöhle aus. »Lecker«, sagte sie.
    »Wir sollten uns beeilen«, meinte Martha. »Die Show beginnt in einer halben Stunde.«
    »Oh.« Erleichtert warf Bernd seine Serviette quer über den Teller. »Dann mal lieber los.«
    »Bist du denn schon fertig?« Martha stutzte. »Du hast doch kaum was gegessen. Sollen wir es einpacken lassen?«
    Bernd schüttelte den Kopf. »Lieber nicht. Will ja nicht selber wie ein Haggis wirken, neben meiner schönen Frau.«
    Karen streckte sich unmerklich und schenkte ihm ein Lächeln.
    Mark stöhnte. »Könnt ihr mal aufhören. Das ist voll ätzend, wenn alte Leute flirten.«
    »Ich muss mal.« Teresa stand auf. »Ich muss mal, Papa.«
    Bernd griff nach ihrer Hand. »Geht ruhig schon vor. Wir finden euch dann. An der Bühne in der Cockburn Street ist es, oder?«
    Vor der Bühne standen schon eine Menge Leute. Erstaunlich, fand Karen. Das Plakat vom großen Lysander ließ nicht gerade auf ein Hightech-Spektakel schließen. In diesem Moment klingelte ihr Handy. Sie zuckte regelrecht zusammen. Wer rief sie hier an? Es war Bettina.
    »Hallo?«, rief Karen. Bettina antwortete irgendwas, aber es war unglaublich laut hier, Karen konnte kein Wort verstehen. Suchend sah sie sich um. Dahinten war es ein bisschen ruhiger.
    »Ich komme gleich wieder«, sagte sie zu Martha und Mark, die sich auf eine Steinmauer gleich neben dem Bühneneingang gesetzt hatten und warteten. Mark klopfte den Takt zu irgendeinem Lied in seinen Kopfhörern. Er nickte ohne aufzusehen.
    Im Schatten eines Kastanienbaumes um die Ecke versuchte sie es erneut. »Ja?«
    »Na, Mensch«, schrie Bettina. »Was ist denn das für ein Lärm? Seid ihr im Zirkus?« Sie wartete die Antwort gar nicht ab. »Habt ihr schon ordentlich Whisky gekostet? Oder liegt ihr den ganzen Tag nur im Hotelbett rum?« Sie lachte.
    Karen

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