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Martha's Kinder

Martha's Kinder

Titel: Martha's Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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Stadt. Er hat seiner Geliebten ein kleines Gut gekauft. Er versucht garnicht, seine Abwesenheiten zu maskieren. Und Sylvia zeigt nicht die geringste Eifersucht – ein Zeichen, daß ihr Delnitzky ganz gleichgültig, vielleicht sogar verhaßt ist. Also einsam, einsam! Sie hat sich mir nicht anvertraut, weil sie mir nicht weh tun will. Glaubt sie denn, daß ich nicht sehe, wie freudlos sie ist?
    Und nun Rudolf ... der trägt noch größere Sorgenlast. Er hat – »der unglückselige Atlas« – die Sorgen der Welt auf sich genommen. Alles was in unserer Gegenwart an Traurigem enthalten ist, das schmerzt – an Schlechtem, das empört – an Dummem, das erzürnt ihn, an Gemeinem, das flößt ihm Ekel ein. »So gib doch in die andere Wagschale«, sagte ich erst gestern zu ihm, »all das Lichte, Schöne, Gute, das auch vorhanden ist und das in immer steigendem Maße sich entfaltet. »Die Zukunft gehört der Güte«, pflegte Tilling zu sagen ... und Du hilfst ja mit, diese Zukunft herbeizuführen – ist Dir das nicht erhebende Genugtuung?« Er schüttelte den Kopf: »Bis jetzt habe ich gar nichts geleistet – ich komme aus der Phase des Vorbereitens zum Handeln ja garnicht heraus – ein Schnitter, der immer nur die Sense schleift, ein Zeichner, der nicht aufhört, Bleistifte zu spitzen ...«
    Er übertreibt, er hat schon gehandelt. Nur sind seine Handlungen an äußerlichen Hindernissen, am passiven und aktiven Widerstand der anderen abgeprallt. Da war seine Kandidatur ... sie wählten ihn nicht. Da war seine Reise nach Berlin, seine Unterredung mit Bismarck ... der eiserne Kanzler hat ihn abgewiesen, wie er den Abgeordneten Bühler und wie er den Prinzen von Oldenburg abgewiesen hatte: »An Abrüstung dürfe man nicht denken, am allerwenigsten in Deutschland, das gegen zwei Fronten en vedette zu bleiben habe.«
    Ich habe indessen meinem »Protokoll« doch wieder hoffnungsvolle Absätze hinzugefügt. Ach, daß Friedrich das alles nicht erleben konnte! Sicher hätte er sich den Friedensvereinen und -Kongressen angeschlossen. Das will nun Rudolf nicht tun. Ich bleibe aber durch meine Korrespondenz mit den Gleichgesinnten aller Länder stets in Berührung mit den militanten Trägern der Friedensidee, und mein Protokoll spiegelt die Phasen der fortschreitenden, von der Mitwelt so sehr verlachten oder ignorierten Bewegung wieder.
    Und da sehe ich, wie der Gedanke, daß das Gewaltsystem dem Rechtssystem weichen müsse, wächst und wächst und in immer höhere Kreise dringt. »Die Wogen müssen so hoch gehen«, sagte neulich Björnstjerne Björnson in einer Versammlung im Freien, vor einer Zuhörerschaft von zehntausend Menschen, »die Wogen des Friedensgedankens müssen so hoch gehen, daß sie bis in die ersten Stockwerke spritzen.«
    Ob sie bis zu einem Thronsaal dringen? Die Leute behaupten, das sei unmöglich, denn die Throne ruhen auf der bewaffneten Macht. Aber was »behaupten die Leute« nicht alles?
    Zu den neuesten Eintragungen meines Protokolls gehören die Versammlungen in Rom; die interparlamentarische Konferenz (mit bewundernswerter Energie vorbereitet vom Kammermitglied B. Pandolfi) und der dritte Weltfriedenskongreß. Offizieller Empfang auf dem Kapitol. Die beiden Körperschaften haben beschlossen, je ein Zentralbureau in Bern zu errichten. Der Gedanke nimmt immer mehr Gestalt an; seine Vertreter organisieren sich. Das Umherflatternde ballt sich zusammen und verdichtet sich. So entstehen Planeten und ebenso – Institutionen.
    Kolnos, dem ich neulich mein Protokoll zeigte, sagte: »Sie tragen da zusammen, meine liebe optimistische Freundin, alles was in der Welt zu gunsten Ihrer Lieblingsidee geschieht, und lassen unverzeichnet, was zu deren Nachteil vorgeht. Ihre Sammlung umfaßt ein Zehntausendstel dessen, was tatsächlich gedacht, gesprochen und getan wird. Die übrigen 999 Tausendstel, von denen sagt Ihr Protokoll nichts – und die geben den Ausschlag.«
    »Ja, heute – aber später? – Millionen Schneeflocken begraben das erste Veilchen im März ... wer gibt den Ausschlag? Fragen Sie den Lenz: – das Veilchen.«
    »Optimistin!«
    »Mit diesem Namen beleidigen Sie mich nicht.«
    »Das war auch nicht meine Absicht.«
    »Sie treffen mich aber auch nicht. Das Wort will sagen, daß man nur das Gute sieht und für alles bestehende Böse blind ist. Ich sehe beides – Ormuzd und Ahriman. Der Kampf der beiden dauert ja fort. In diesem Büchelchen sind aber nur die Ormuzd-Siege notiert – und da nur auf einem

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