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Martha's Kinder

Martha's Kinder

Titel: Martha's Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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niedergelegt – und so kann ich mich ganz frei geben. Takt – das ist so ein Ding, das diejenigen brauchen, die einen Widerspruch verbergen, den sie in sich tragen, oder durch den sie sich lavierend durcharbeiten wollen ... ich habe diese Notwendigkeit abgeschüttelt – und darum sage ich Ihnen jetzt ganz offen: der Kampf, zu dem ich mich rüste – der Befreiungskampf gegen alles, was die Menschheit in Fesseln, auch in geistige Fesseln schlägt – der wendet sich natürlich auch gegen –«
    »Also ist es doch richtig«, unterbrach der Pfarrer, daß die sogenannten »Friedensfreunde« – denn dazu gehören Sie ja – Feinde der Religion sind?«
    »Es ist nicht richtig. Gewiß gibt es unter den Kriegsfeinden viele Freidenker – aber auch viele Gläubige. Und in dem Kampfe gegen den Krieg betätigen die Freidenker doch ihre Gesinnung nicht, – sie trachten vielmehr, in der Kirche eine Verbündete zu finden, denn sie wissen, welche Macht ihr innewohnt, und wissen, wie sehr die Religionsgebote mit den Friedensgeboten übereinstimmen. Eben weil die organisierten Verfechter der Friedensidee sich der Bekämpfung einzelner Richtungen und Einrichtungen – die ich bekämpfen wollte – enthalten, unterlasse ich es, mich ihren Vereinen und Kongressen anzuschließen. Ich will nach jeder Richtung hin die neue Weltanschauung vertreten – eine Weltanschauung, die meiner Überzeugung nach bestimmt ist, wie eine neue Religion die kommenden Geschlechter zu verbinden –«
    »Freilich«, unterbrach Pater Protus mit leiser Bitterkeit im Tone, »mit solchem neuen Glauben muß man dem alten gegenüber als Feind auftreten – nicht als Patron.«
    »Feind? Im Sinne von Haß und gewalttätigem Verfolgungs- und Vernichtungseifer? – nein. Loyaler Gegner? – ja. Ach, Pater Protus, Pater Protus – was sind das doch noch für unklare, traurige Zustände in der Welt ... wie schmerzlich stoßen die Gedanken, die Pflichten, die Leidenschaften aneinander! Dabei sehe ich so deutlich, wo das Heil liegt... einfach darin: gut sein und wahr sein – in jeder Lage, unter allen Umständen, niemand Böses zufügen, niemals behaupten, was falsch ist... Welche von den bestehenden Institutionen im Staate verstößt nicht gegen diese zwei Dinge – Güte und Wahrheit?«
    »Was ist Wahrheit? Das hat schon Pontius Pilatus gefragt, Herr Graf.«
    »Was Lüge ist, mußte er jedenfalls wissen, denn als er sagte: »ich wasche meine Hände in Unschuld«, da hat er gelogen – er wusch sie in Blut. Was Güte ist, braucht keiner zu fragen, das fühlt jeder – auch der Harte, indem er sie verlacht... Aber, lieber Herr Pfarrer, ich habe ja nicht mit Ihnen philosophieren wollen – nur Lebewohl wollte ich Ihnen sagen, dabei herzhaft Ihre Hand drücken und – ohne die Punkte auf die i zu setzen – Aug' in Auge Sie versichern, daß ich Sie verstehe und Sie schätze und mich von Ihnen verstanden weiß. Auch meinen weiteren Kurs werden Sie nicht verdammen, selbst wenn ich das nicht mehr bin, was wir vorhin »taktvoll« nannten.«
    Pater Protus drückte fest die dargereichte Hand und blickte dem anderen ins Auge: »Ja, wir verstehen uns.«
    Rudolf sah nun, daß Gräfin Ranegg und ihre Tochter Cajetane im Begriffe waren, sich von seiner Mutter zu verabschieden.
    Er eilte auf die Gruppe zu, denn es drängte ihn, mit diesen lieben Nachbarinnen noch ein paar Worte zu tauschen.
    »Wie, Sie wollen schon fort?... Nein, so lasse ich Sie nicht – ich muß Ihnen noch sagen, daß zu den Dingen, die ich durch den Verlust von Brunnhof am schmerzlichsten vermissen werde, die Nachbarschaft der Raneggsburg gehört.«
    »Sie gehen ja nicht aus der Welt, lieber Graf Rudi«, sagte die Gräfin freundlich. »Den Weg nach unserem Hause – hier und in Wien – werden Sie hoffentlich immer noch finden. Und recht oft.«
    »Danke, Gräfin. Aus dieser liebenswürdigen Aufforderung sehe ich, daß Sie in mir nicht – wie so viele hier – einen gefährlichen Narren sehen.«
    Cajetane fiel lebhaft ein:
    »Sprechen Sie nicht so... Sie sind ein –«
    Hier blieb sie stecken. Rudolf schaute sie überrascht an. Ihre Wangen glühten und ihre großen schwarzen Augen blickten ihn eigentümlich an.
    Gräfin Ranegg ließ sich nicht mehr zurückhalten. Sie verließ den Saal, an ihrer Seite Martha, die ihr das Geleite gab. Rudolf bot Cajetane den Arm und die beiden folgten in einiger Entfernung den vorangehenden Müttern. Der Weg zum Schloßhof, wo der Wagen stand, führte über mehrere lange

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