Martin, Kat - Perlen Serie
ihr Erröten zu verbergen.
Allerdings war dies in den letzten zwei Tagen sehr selten ge- schehen.
Cord merkte, dass Victoria versuchte, ihm aus dem Weg zu gehen, und er wusste nicht so recht, wie er weiter vorgehen sollte. Sein Versprechen, ihr zu helfen, schien sie eher zu beun- ruhigen. Er begann zu glauben, dass sie ihm nicht die ganze Geschichte erzählt hatte, dass sie ihm noch mehr über ihre Vergangenheit hatte anvertrauen wollen, aber nicht den Mut dazu gefunden hatte.
Vielleicht würde McPhee ihm helfen können, die Lücken zu vervollständigen und Victorias Geheimnis auf die Spur zu kommen.
Cord hoffte dies inständig, denn bei dem bloßen Gedanken an seine Haushälterin überkam ihn ein unbezähmbares Ver- langen ... So war er mehr als beunruhigt, als er die Tür zu dem Detektivbüro in der Bow Street aufstieß - und von einem sehr ernst blickenden Jonas McPhee begrüßt wurde.
„Du musst ihm alles erzählen, Tory!"
Tory hatte ihrer Schwester berichtet, dass sie gezwungen ge- wesen war, einen Großteil ihrer Geschichte preiszugeben, als sie in der Nacht auf dem Schiff entdeckt worden waren. „Ich weiß."
„Der Earl hat dir doch versprochen, uns zu helfen, nicht wahr?" Sie arbeiteten in einem der oberen Schlafzimmer. Während Tory die Möbel aus Rosenholz mit einem in Öl ge- tränkten Lappen polierte, fegte Claire den Fußboden.
„Er sagte, dass er uns helfen würde, und ich bin mir auch si- cher, dass er alles tun wird, was in seiner Macht steht, aber ..."
„Aber du hast ihm das Wichtigste nicht erzählt! Er weiß nicht, dass Lord Harwood unser Stiefvater und gesetzlicher Vormund ist."
„Ich habe es verschwiegen, weil ich nicht weiß, was passie- ren würde, wenn er es erfährt." Cord wäre alles andere als er- freut, das war sicher. Er wüsste dann, dass sie Victoria Whiting war, die Tochter des verstorbenen Baron Harwood, und densel- ben Kreisen angehörte wie er selbst.
Voller Bitterkeit erinnerte sich Tory wieder an die Ereignis- se vor einigen Jahren, als Miles Whiting so rasch nach dem Mord an ihrem Vater auf Harwood Hall eingetroffen war. Nach der baldigen Hochzeit mit ihrer trauernden Mutter wurde aus einem Nichtsnutz, der bislang von der Großzügigkeit seiner ei-
genen Mutter gelebt hatte, ein vermögender Mann, der sich nicht nur Baron Harwood nennen durfte, sondern auch über zwei Landsitze verfügen konnte.
Whiting hatte alles bekommen, was er schon immer hatte haben wollen. War er auch über Leichen gegangen, um sein Ziel zu erreichen?
„Der Earl könnte mit dem Baron reden", unterbrach Claire ihre Gedanken, „er würde ihn sicher davon überzeugen, dass wir ihm die Summe für die Halskette erstatten werden."
„Der Baron möchte mehr als Geld. Er will dich, Claire." Ge- nauso wie Lord Brant sie, Tory, wollte. Und der Earl würde sehr wütend werden, wenn sein Plan, sie zu seiner Geliebten zu machen, sich in Luft auflöste - und dies wäre der Fall, sobald er wusste, dass sie die Tochter eines Adeligen war.
„Ganz gleich, was passieren wird, du musst es ihm sagen. Es ist nicht richtig, ihm das zu verschweigen."
Tory, die bislang hingebungsvoll einen Sheraton-Tisch po- liert hatte, ließ ihren Lappen sinken und sah Claire an. „Also gut. Ich werde es ihm sagen. Heute Abend, sobald das Essen vorbei ist."
Ihr graute schon jetzt davor. In den letzten beiden Tagen war sie ihm nach Möglichkeit aus dem Weg gegangen, was er sehr amüsant zu finden schien. Wenn sie ihm doch einmal begegne- te, waren seine Gedanken nur zu offensichtlich. Sie konnte das leidenschaftliche Verlangen in seinen Augen sehen und den sinnlichen Zug um seinen Mund, der sie daran erinnerte, wie seine Lippen sich auf ihrer Haut angefühlt hatten, und der blo- ße Gedanke daran ließ eine warme Welle des Begehrens durch ihren Körper strömen.
Claire wandte sich zur Tür um. „Was war das?"
„Was war was?" Tory sah ihre Schwester fragend an.
„Jemand scheint nach dir zu rufen." Claire blickte jetzt mit großen Augen zu Tory hinüber. „Ich glaube, es ist der Earl!" Tory hatte es auch gehört. Sofort hatte sie die wütende Stim- me erkannt, und ein kalter Schauder lief ihr über den Rücken. „Er klingt wirklich sehr aufgebracht. Glaubst du, dass er..."
„Genau das befürchte ich. Du bleibst besser hier." Während sie ihren schwarzen Rock zusammenraffte und zur Treppe eil- te, wünschte sie, dass ihr Herz ihr nicht bis zum Halsschlagen würde.
Lord Brant erwartete sie in der Eingangshalle.
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