Martin, Kat - Perlen Serie
sie an den Prinzen, der den Turm erklommen hatte, um das Burgfräulein zu retten. Als sie und Tory klein waren, hatte ih-
re Mutter ihnen diese Geschichte erzählt.
Die Kutsche hielt vor einem Gasthof, und Lord Percy miete-
te ein Zimmer, damit sie sich vor dem Frühstück frisch machen konnte. Er war umsichtig und behandelte sie mit ausgesuchter Höflichkeit. Sie stellte fest, dasssie oft über etwas lächeln
musste, was er sagte. Und wenn er sie mit seinen sanften Au-
gen ansah, wurde ihr auf angenehme Weise ganz warm.
Nachdem sie ihre Reise fortgesetzt hatten, saßen sie sich in der Kutsche gegenüber. Claire wusste natürlich, dass dies viel
schicklicher war, doch sie vermisste Percys beruhigende Nähe neben sich.
Lord Percy bewegte sich auf seinem Sitz, und sie wurde ge- wahr, dass er sie ansah. Als sie seinem Blick begegnete, räus- perte er sich, und sie spürte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss.
„Ich bin sehr glücklich, dass wir heiraten, Claire", sagte er. Sie fühlte die Wärme in ihrem Gesicht. „Ich werde versu- chen, dir eine gute Frau zu sein, Percy."
Sie wollte ihn glücklich machen - so wie es von einer Ehe- frau erwartet wurde.
Sobald sie zurück in England waren, würde sie Tory nach ih- ren ehelichen Pflichten fragen. Ihre Schwester hatte schließ- lich Mrs. Thornhills Privatschule besucht, und wo, wenn nicht dort, erfuhr man so etwas wohl? Zudem würde Tory mittler- weile auch selbst verheiratet sein.
Ja, dachte sie beruhigt, Tory würde ihr sagen, was sie zu tun hatte.
„Glaubst du, dass es ihr gut geht?" Es war bereits das dritte Mal, dass sie die Frage stellte. Cord saß an seinem Schreibtisch und runzelte die Stirn.
„Du musst dir keine Sorgen machen. Lord Percy hat mir sein Ehrenwort gegeben, dass er von seinen ehelichen Rechten kei- nen Gebrauch machen wird, bevor Claire nicht dafür bereit ist."
„Aber sie ist nicht so wie ich. Sie ist nicht..."
Cord sah von seinen Unterlagen auf und zog erwartungsvoll eine Augenbraue in die Höhe.
Seine Frau errötete. „Sie ist zurückhaltender als ich."
Er erhob sich von seinem Stuhl und kam auf sie zu. „Willst du damit sagen, dass sie kein so leidenschaftliches Geschöpf ist wie du?" Er umfasste leicht ihre Schultern. „Du bist in die- ser Hinsicht wirklich die reinste Freude, und es vergeht kaum ein Moment, in dem ich nicht daran denke, mit dir im Bett zu sein. Womit ich sagen will, dass du mich nun besser meiner Ar- beit überlässt, bevor ich dich nach oben trage und dich dazu bringe, deine herrlich leidenschaftliche Natur auszuleben." Heiß schoss ihr das Blut in die Wangen, und sie trat einen Schritt zurück. Waren seine Worte ein Kompliment oder eine Beleidigung? „Dann sollte ich besser gehen. Ich möchte dich nicht von deinen Pflichten abhalten."
Cord lächelte leicht, doch sie merkte, dass er in Gedanken schon wieder bei seiner Arbeit war. Seufzend kehrte er an sei- nen Schreibtisch zurück und vergrub sich wieder in die Akten- berge, die sich vor ihm auftürmten.
Tory beobachtete ihn eine Weile, wenn er auch ihre Anwe- senheit allem Anschein nach bereits vergessen hatte. Seit ihrer Hochzeitsnacht hatte Cord die meiste Zeit in seinem Arbeits- zimmer verbracht. Nun, da er eine mittellose Frau statt einer reichen Erbin hatte heiraten müssen, schien er zu glauben, dass er noch mehr arbeiten musste, um den Verlust wieder aus- zugleichen.
Sie seufzte leise, als sie das Zimmer verließ. Körperlich wa- ren sie füreinander geschaffen. Ein einziger Blick von Cord nahm ihr den Atem, ein einziger Kuss ließ sie nach mehr ver- langen. Ihm schien es genauso zu gehen, denn er liebte sie jede Nacht - und meist nicht nur einmal.
Allerdings kam er nie vor Mitternacht zu ihr und verließ sie bereits, bevor der Morgen graute. Er hatte Pflichten, erklärte er ihr, eine große Verantwortung, der er gerecht werden muss- te.
Und natürlich sorgte er sich immer noch um seinen Cousin. Die Suche nach Captain Sharpe dauerte an, und über seinen aktuellen Aufenthaltsort bestand nach wie vor Unklarheit. Zwar konnte davon ausgegangen werden, dass er lebte, doch niemand wusste, wo er nun gefangen gehalten wurde.
Oder wie lange er in französischer Gefangenschaft noch überleben würde.
Es war ein Wettlauf gegen die Zeit, der schwer auf Cord las- tete. Er hatte sich um viele wichtige Dinge zu kümmern - und Zeit mit seiner Frau zu verbringen, gehörte wohl nicht dazu. Der Gedanke ließ ihr kalt ums Herz werden. Wenn sie kaum bei
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