Martin, Kat - Perlen Serie
die Tür hinter sich zu.
Ethan ließ sich auf das braune Ledersofa fallen und schlug sich die Hände vor das Gesicht. Natürlich hatte er seine Frau schlecht behandelt - aber er war einfach verärgert gewesen, als er herausfand, dass sie ihn die ganze Zeit belogen hatte. In der Stille seines Arbeitszimmers seufzte er laut. In gewis- ser Weise konnte er Grace sogar verstehen. Sie glaubte fest an die Unschuld ihres Vaters. Wahrscheinlich war es diesem Schurken gelungen, sie irgendwie davon zu überzeugen - doch Ethan wusste es besser. Forsythe war schuldig! Die Beweislast hatte schließlich genügt, um das Gericht und die Öffentlich- keit zu dieser Ansicht kommen zu lassen.
Trotzdem wollten Grace' Worte ihm nicht mehr aus dem Kopf. Was, wenn Forsythe tatsächlich unschuldig war, wie er behauptete?
Zum ersten Mal seit dem Prozess gestattete Ethan sich die- sen Gedanken. Was, wenn ihr Vater gar nicht der Verräter ist, für den du ihn hältst, und du einen Unschuldigen an den Gal- gen bringst?
Ethan sprang vom Sofa auf. Seine Wut war neu entflammt - aber diesmal war er wütend auf sich selbst, weil er sich von den Worten seiner Frau von seiner Überzeugung abbringen ließ. Entschlossenen Schrittes verließ er sein Arbeitszimmer und rief einem Hausdiener zu, seine Kutsche vorfahren zu las- sen. Er musste Abstand finden und brauchte Zeit, um über alles nachzudenken.
Und das gelang ihm viel besser, wenn er nicht in Grace' Nähe war.
Als Grace die Haustür laut ins Schloss fallen hörte, wurde ihr beklommen ums Herz. Seit Wochen hatte sie Ethan hintergan- gen, und nun war seine Wut auf sie unermesslich. Doch war ihr eine andere Wahl geblieben? Sie hatte schließlich ihrem Vater
helfen müssen! Aber nun hatte sie ihn womöglich in noch grö- ßere Gefahr gebracht.
Und Ethan? Das Vertrauen, das sich in den letzten Wochen zwischen ihnen entwickelt hatte, schien sie nun gründlich ver- spielt zu haben. Er würde ihr nie vergeben: In seinen Augen hatte sie den schlimmsten Verrat begangen, den er sich denken konnte. Sie hatte ihren Vater ihm vorgezogen.
Ihre Beine zitterten nach wie vor, als sie den Korridor im oberen Geschoss entlang in Richtung des Kinderzimmers ging. Das Baby in ihren Armen zu halten half ihr immer, sich zu be- ruhigen und wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Die Lie- be ihres kleinen Sohnes war bedingungslos und bot ihr Trost. Nicht so wie Ethan, der sie zwar begehrte - dem sie vielleicht sogar etwas bedeutete -, doch nur solange sie sich seinen Wün- schen fügte.
Tränen brannten in ihren Augen. Sie liebte Ethan, selbst wenn sie wusste, dass er ihre Gefühle nicht erwiderte. Denn sonst hätte er sich zumindest angehört, was sie zu sagen hatte. Er liebte sie nicht, und all ihr Hoffen würde das nicht ändern können.
Es macht nichts, versuchte sie sich einzureden. Ich habe ein Kind, das ich lieben kann. Das war mehr, als manch andere Frauen hatten.
Während Grace weiter den Korridor entlangging, dachte sie bereits wieder an Ethan. Wenn es ihr doch nur gelungen wäre, dass er sie genauso liebte wie sie ihn! Sie seufzte. Die Weihnachtszeit hatte sie schon immer missmutig gemacht. Als sie noch bei ihren Eltern gelebt hatte, war ihr Vater stets in schlechte Laune verfallen und ihre Mutter war tagelang mit einer Jammermiene herumgelaufen. Nachdem ihre eigene Ehe sich ebenso unvergnüglich zu gestalten schien, glaubte Grace, dass sich an ihrer Weihnachtsstimmung wohl auch nichts än- dern würde.
Erneut seufzte sie. Als sie das Kinderzimmer fast erreicht hatte, kam ihr Mrs. Swann völlig aufgelöst entgegen.
„Er ist weg, Mylady! Der Herr stehe uns bei - Ihr süßer klei- ner Junge ist weg!"
Grace griff die kräftige, rothaarige Frau so fest am Arm, dass sich ihre Fingernägel in deren Haut gruben. „Was sagen Sie da?"
Der Amme stiegen Tränen in die Augen. „Der kleine Andrew.
Er ist nicht in seiner Wiege. Ich war nur kurz mal aus dem Zim- mer, und bei meiner Rückkehr war er weg!"
Grace zitterte am ganzen Körper, als sie in das Kinderzim- mer rannte. Sie beugte sich über die Wiege - sie war leer. „Viel- leicht hat Phoebe ihn genommen. Oder ... oder eines von den anderen Dienstmädchen."
Grace eilte aus dem Zimmer und rief nach ihrer Kammer- zofe. Das schlanke, dunkelhaarige Mädchen kam sogleich aus dem herrschaftlichen Schlafgemach, wo sie einige Kleider aus- gebessert hatte.
„Was ist, Mylady? Ist etwas passiert?"
„Es ist ... Andrew. Wir können ihn nicht finden. Mrs. Swann
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