Martin, Kat - Perlen Serie
nachgeben würde, dennoch zögerte er aus irgend- einem Grund, zu ihr zu gehen.
Und so lag er auf dem unbequemen Sofa, und sobald er die Augen schloss, sah er im Geiste Grace vor sich, wie sie an der Reling stand, schön und trotzig, und ihre feurig schimmernden Haare wild um ihr Gesicht wehten. Sie hatte seine Wut gespürt und war vor ihm zurückgewichen ... nur wenige Schritte ... und dann völlig hilflos von einer Welle ins Meer gerissen wor- den.
Der Moment hatte sich in seinem Gedächtnis eingebrannt: Genau erinnerte er sich noch an die plötzliche Angst, das bo- denlose Entsetzen bei der Vorstellung, dass sie in den aufge- wühlten Fluten ertrinken könnte. Nichts hätte ihn davon abzu- halten vermocht, ihr hinterherzuspringen. Sie gehört mir, war es ihm unverständlicherweise durch den Kopf gegangen. Ich kann sie nicht sterben lassen.
Als Grace und er wieder sicher an Bord waren, war er von Dankbarkeit erfüllt gewesen, dass er sie hatte retten können. Die Stunden ihres gemeinsamen Abendessens waren noch viel angenehmer und vergnüglicher gewesen, als er sich das er- hofft hatte, und sie hatten sich angeregt über das Segeln, das Meer und auch ein bisschen über die Wissenschaft der Sterne unterhalten. Grace war intelligent und voller Lebensfreude, und er begehrte sie mit einer Leidenschaft, die er bei sich nicht vermutet hatte.
Nach diesem Abend war er sich seiner Sache fast sicher ge- wesen. Er würde sie zur Kabine zurückbegleiten, sie so lange küssen, bis sie seinem Drängen nachgab und sich seinen Wün- schen fügte. Und wenn er sich daran erinnerte, wie sie bereits zuvor auf seine Berührungen reagiert hatte, zweifelte er kei- nen Moment daran, dass er endlich mit ihr einig würde.
Ganz nach Plan hatte er sie dann auch auf dem Gang vor der Kabine geküsst und seinem Anliegen Ausdruck verliehen. Die unschuldige Zurückweisung in ihren Augen hatte es ihm indes unmöglich gemacht, ihren Wunsch nicht zu respektieren.
Ethan setzte sich auf und fluchte leise. Er hatte sie nicht be- drängt, da er ihr Vertrauen nicht verlieren wollte. Warum ihm dies auf einmal so wichtig war, konnte er sich nicht erklären. Aber er wusste, dass er sie erst dann lieben würde, wenn sie ihn von sich aus in ihr Bett einlud.
War das denn noch zu glauben?
Sie hatte einem Verräter zur Flucht verholten, einem Mann, der für den Verlust von Ethans Schiff, seiner Mannschaft und einem Jahr seines Lebens verantwortlich war! Er hatte sie mit dem festen Vorsatz an Bord der Sea Devil gebracht, sie dafür büßen zu lassen.
Sie musste ihn völlig um den Verstand gebracht haben.
7. KAPITEL
„Gibt es Neuigkeiten von deinem Cousin?" Victoria Easton, Countess of Brant, ging zu ihrem Mann, der an seinem großen Mahagonischreibtisch im Arbeitszimmer saß.
Cord wandte sich zu ihr um und lächelte. „Colonel Pendleton glaubt, dass der Auftrag bald beendet sein wird. Er meint, dass Ethan wohl Ende des Monats wieder in London ist."
Tory errötete. Cord war ein großer und gut aussehender Mann, mit breiten Schultern, einem markanten Kinn und ei- nem kraftvollen, muskulösen Körper. Sie musste ihn nur anse- hen, und ihre Gedanken wanderten in Richtung des Schlafzim- mers. Energisch rief sie sich zur Vernunft und versuchte, sich auf die Unterhaltung zu konzentrieren.
„Der Colonel sagte, dass es der letzte Auftrag für deinen Cou- sin sei. Meinst du nicht, dass Captain Sharpe das Meer sehr vermissen wird?"
Sie kannte Ethan Sharpe kaum, obwohl sie an seiner Befrei- ung aus einem französischen Gefängnis maßgeblich beteiligt gewesen war. Und während des einzigen Anlasses, an dem Cords Familie sich zusammengefunden hatte, um seine Rück-
kehr zu feiern, war er ihr kalt und distanziert erschienen. Doch Cord hatte ihr versichert, dass Ethan nicht immer so gewesen war.
„Die Seefahrt war schon immer Ethans große Leidenschaft", antwortete ihr Mann, „aber er ist nun bereit, seine Pflichten als Marquess of Belford zu übernehmen. Und ich glaube, dass ein Teil von ihm sich sogar darauf freut, etwas Neues anzufan- gen."
„Er wird sich sicher auch nach einer Frau umsehen, was meinst du? Immerhin braucht er einen Erben."
„Natürlich wird er das. Allerdings hat das noch Zeit." Cord streckte seine Hand aus und strich seiner Frau eine lose Sträh- ne ihres kastanienbraunen Haars aus dem Gesicht. Victoria war klein, aber nicht mehr ganz so zierlich, da sie seit vier Mo- naten ihr erstes Kind erwartete. Er zog sie auf seinen Schoß und
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