Martin, Kat - Perlen Serie
Bewegung seines Ruders das Boot in die gewünschte Richtung lenkte.
„Mir scheint, dass unsere Gefangene versucht zu fliehen." Angus kraulte seinen grauen Bart. „Das Mädchen kann doch gar nicht schwimmen!"
Ethan hielt das Fernrohr auf die schwimmende Person ge- richtet. „Anscheinend doch. Es sieht so aus, als könne sie ohne
ihr schweres Kleid sogar wie ein Fisch schwimmen."
Sowohl Ethan als auch Angus griffen nun nach zusätzlichen
Rudern und unterstützten die beiden Matrosen, um schnel-
ler aufholen zu können. Als sie ihr Ziel fast erreicht hatten,
ließ die Schwimmerin ihr kleines Bündel schnell los und ver-
schwand unter der Wasseroberfläche.
„Springen Sie ihr hinterher?", fragte Angus besorgt.
Ethan lächelte kalt. „Das habe ich beim letzten Mal ge-
macht. Diesmal werde ich einfach warten, bis sie wieder auf-
macht."
In einiger Entfernung stieß ihr Kopf an die Oberfläche - und
verschwand erneut. Shorty hatte derweil das Bündel aus dem
Wasser gefischt, und Ethan fluchte leise, weil er seinen Wachs-
tuchmantel erkannte.
Sie ruderten weiter in die Richtung, in die sie geschwommen
war, und warteten darauf, dass sie wieder auftauchen würde.
A l s sie sich das nächste Mal über Wasser umsah, war das Boot
schon ganz nah.
„Haben Sie Ihre kleine Runde nun beendet?", rief Ethan ihr
zu.
Er konnte sehen, dass sie die Lippen bewegte, und war froh,
ihre Worte nicht genau verstehen zu können. Suchend blickte
Grace sich nach ihrem Bündel um.
„Es ist schon im Boot."
Sie schien aufzugeben und schwamm zu ihnen hinüber.
Wahrscheinlich würden Sie nicht aufhören, mich zu verfol-
gen, wenn ich weiterschwimmen würde."
„Unsere Ausdauer wäre zweifelsohne größer als Ihr Durch-
haltevermögen, Miss Chastain."
Ethan streckte seine Hand aus und zog Grace an Bord, dann
legte er ihr seinen wollenen Mantel um die Schultern.
„Zurück zur Sea Devil", wies er seine Matrosen an und setz-
te sich neben Grace.
„Ich musste es einfach versuchen", gestand sie mit leiser
Stimme. „Ich will nicht ins Gefängnis."
Ethan spürte, wie etwas in ihm sich zusammenzog. Er wuss-
te nur zu gut, was sie dort erwarten würde, kannte die Gewalt und die Erniedrigung, der Gefangene ausgesetzt wurden. Konnte er Grace das wirklich antun?
„Darüber sprechen wir, nachdem Sie sich wieder aufge-
wärmt haben." Er zog leicht eine Augenbraue in die Höhe. „Es
scheint Ihnen zur Gewohnheit zu werden, sich ertränken zu wollen. Vielleicht könnten Sie in Zukunft von weiteren Versu- chen dieser Art absehen."
„Natürlich wollte ich nicht ertrinken! Wenn Sie mich nicht aufgehalten hätten, wäre ich schon längst an Land."
„Sie können von Glück sagen, dass wir Sie gesehen haben. Bedanken Sie sich bei Angus und seinem neuen, ganz vorzüg- lichen Fernrohr. Jetzt hat es uns einen guten Dienst erwie- sen."
Sie schwieg, und Ethan konnte die Verzweiflung in ihrem Gesicht sehen. Er wünschte sich, ihr ein wenig Hoffnung ma- chen zu können ... aber es war noch zu früh für Versprechun- gen.
Nachdem sie das Schiff erreicht hatten, kletterte Grace die Strickleiter hinauf und stand tropfnass an Deck. Um ihre Füße bildete sich eine kleine Pfütze. Der schlaksige Ned eilte herbei, um sie alle zu begrüßen, und Freddie stand sichtlich aufgeregt einige Schritte entfernt.
„Geht es ihr gut?", fragte Ned besorgt.
„Nicht schlechter als sonst."
„Wir hätten da noch ein Problem, Sir."
„Was gibt es denn?"
„Mr. Cox, Sir. Er hat versucht, sich mit einem der kleinen Boote aus dem Staub zu machen. Als einer der Matrosen ihn erwischte, hat Cox ihn brutal zusammengeschlagen. Wir ha- ben drei Leute gebraucht, um ihn zu überwältigen, Sir! Und das haben wir bei ihm gefunden." Ned hielt die Perlenkette hoch.
Ethan nahm ihm den Schmuck ab und wandte sich an Grace. „Cox wusste nicht, wo ich die Kette aufbewahre. Wie ist er also daran gekommen?"
Entschlossen reckte sie ihr Kinn in die Höhe. „Ich habe sie ihm gegeben. Wir haben einen kleinen Handel gemacht - er hat die Perlen bekommen und ich meine Freiheit. Und wagen Sie nicht, mich des Diebstahls zu bezichtigen! Es ist meine Kette."
Unter anderen Umständen hätte Grace' Widerspenstigkeit ihn zum Lächeln gebracht, so aber drehte Ethan sich nur zu Ned um. „Wo ist er?"
„Wir haben ihn an seine Koje gefesselt, Sir. Wir mussten alle Mann mit anpacken, um ihn dahin zu bekommen."
„Bringen Sie ihn an Deck. Mr. McShane wird Sie begleiten."
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