Martin, Kat - Perlen Serie
„Das mache ich gerne." Der Schotte zog die Pistole, die er stets an seinem Gürtel trug. „Wollen wir doch mal sehen, ob er sich jetzt immer noch so zur Wehr setzt." Zusammen mit Ned und zwei weiteren Matrosen ging er los, um Willard Cox zu ho- len.
Ethan blickte zu Grace hinüber, die ihr Bündel fest an sich gedrückt hielt. „Sie sollten nach unten gehen und sich etwas Trockenes anziehen."
Ihre Finger klammerten sich noch fester um das Wachstuch. Ich wünschte, ich könnte Ihnen sagen, dass es mir Leid täte. Aber ich würde es jederzeit wieder tun."
Er sah sie vor sich stehen, eingehüllt in seinen Mantel, ihr rotbraunes Haar klebte ihr nass an Kopf und Hals, und er kam nicht umhin, sie für ihren Mut zu bewundern. „Ich weiß." Mit erhobenem Kopf drehte sie sich um und wollte gehen. „Sie sind eine erstaunlich gute Schwimmerin, Grace. Doch das Wasser ist äußerst kalt und die Küste weiter entfernt, als Sie vielleicht gedacht haben. Cox hat sich für seinen Fluchtver- such nicht umsonst für eines der Beiboote entschieden."
Während seiner Worte blieb sie kurz stehen und ging dann wortlos weiter. Er sah ihr nach, bis sie die Stiege hinab ver- schwunden war. Seit er sie an Bord gebracht hatte, hatte sie ihm nichts als Ärger eingebracht.
Wenn er doch nur wüsste, was er mit ihr machen sollte!
Grace zog sich ihre durchnässten Sachen aus. Während sie sich
mit einem Leinentuch abtrocknete und warm rieb, fühlte sie
Enttäuschung und Mutlosigkeit in sich aufsteigen. Außerdem
musste sie beim Öffnen des Kleiderbündels feststellen, dass
nur das meerblaue Seidenkleid weitgehend trocken geblieben
war. Nachdem sie es angezogen hatte, bürstete sie ihr Haar
und versuchte, es vor dem niedrig brennenden Kaminfeuer so
gut wie möglich zu trocknen.
Als es zaghaft an die Tür klopfte, wusste sie sofort, dass es
Freddie war, und machte ihm auf.
„Guten Abend, Miss." Schooner schlängelte sich an ihm vor-
bei durch die Tür, rannte durch die Kabine und sprang auf das
Bett. Der Kater schien sich hier mittlerweile zu Hause zu füh-
len und begann, sich das Fell zu putzen. „Der Capt'n hat mich geschickt, damit ich schaue, ob Sie
was brauchen. Leider haben wir für ein Bad nicht mehr genug Wasser im Tank."
Grace bemühte sich, ihre Enttäuschung zu verbergen, und lächelte. „Nein, es geht schon, Freddie. Wo ist der Captain jetzt?"
„Mit Mr. Cox an Deck."
Eiskalt lief es ihr über den Rücken. „Was wird er mit ihm machen?"
„Na ja, ihn auspeitschen, Miss. Das ist nur gerecht. Der Capt'n hat fünfzig Hiebe angeordnet."
Grace begann sich unwohl zu fühlen. Es schien ihr barba- risch, einen Mann auszupeitschen, schließlich lebten sie nicht mehr im Mittelalter. Aber hatte sie Ethan Sharpe nicht von An- fang an für einen Barbaren gehalten? Trotzdem war sie davon ausgegangen, dass er Mr. Cox an Land bringen lassen würde, um ihn dort den Gesetzeshütern zu übergeben.
Entschlossen ging sie an Freddie vorbei und verließ die Ka- bine. Sie kletterte die Stiege hinauf und entdeckte Ethan auf dem Achterdeck. Die ganze Mannschaft hatte sich dort versam- melt, und als Grace die Leiter hochstieg, sah sie auch Willard Cox. Er war an den Hauptmast gefesselt, sein Oberkörper ent- blößt, so dass sein Rücken ihnen schutzlos zugewandt war. An- gus McShane stand mit der Peitsche bereit.
Grace atmete tief durch und ging dann auf den Captain zu. Sobald er sie sah, wirkte er deutlich ungeduldig und ange- spannt. „Gehen Sie in die Kabine zurück."
„Ich muss mit Ihnen sprechen."
„Jetzt nicht."
Ihr Blick wanderte zu Cox. „Was hat er getan? Ich habe Ih- nen doch gesagt, dass er die Kette nicht gestohlen hat."
„Mr. Cox hat seine Pflichten vernachlässigt."
„Deshalb verdient er wohl kaum eine so barbarische Strafe wie ... wie das hier." Sie zeigte auf die Riemenpeitsche, die An- gus in seinen schwieligen Händen hielt.
Ethan packte Grace beim Arm und zog sie mit sich zur Re- ling, bis sie außer Hörweite der Mannschaft waren. „Was hier passiert, geht Sie nichts an, Grace. Der Mann hat ein Verbre- chen begangen, und ich werde ihn dafür angemessen bestrafen lassen."
„Angemessen? Sie wollen ihn auspeitschen lassen!"
„Ganz genau. Fünfzig Schläge."
Grace verspürte Übelkeit. Sie stellte sich vor, wie die Haut auf Willard Cox' Rücken aufplatzen würde und das Blut he- rabströmte - und sie nahm all ihren Mut zusammen. „Captain Sharpe, ich bitte Sie, den Mann an Land zu schicken.
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