Mary Poppins
sagte der König, schob seine Krone ein wenig beiseite und kratzte sich am Kopf.
>Sehr sonderbar<, wiederholten die Hofschranzen und kratzten sich ebenfalls.
>Wie fühlt man sich dabei?< fragte der König.
>Sehr komisch<, erwiderte die Rote Kuh. >Und doch<, sie machte eine Pause, als suchte sie nach Worten, >ist es eher ein angenehmes Gefühl. Als ob es mich innerlich zum Lachen reizte.<
>Erstaunlich!< sagte der König. Er stützte das Kinn in die Hand, blickte nachdenklich auf die Rote Kuh und überlegte, was hier wohl am besten zu tun sei.
Plötzlich sprang er auf und rief: >Grundgütiger Himmel!< >Was ist?< riefen die Hofschranzen.
>Aber seht ihr denn nicht?< Vor Aufregung ließ der König das Zepter fallen. >Was war ich doch für ein Dummkopf, daß ich es nicht eher bemerkt habe. Und was für Dummköpfe seid ihr!< fuhr er wütend die Hofschranzen an. >Seht ihr nicht, daß sich auf ihrem Horn eine Sternschnuppe verfangen hat?<
>Wirklich, da ist sie!< riefen die Hofschranzen, die jetzt alle den Stern bemerkten. Und während sie hinsahen, kam es ihnen vor, als würde der Stern immer heller.
>Da stimmt etwas nicht!< sagte der König. >Nun, ihr Herren, wäre es nicht besser, ihr würdet das Ding da wegnehmen, damit diese – hm – Dame mit dem Tanzen aufhören und endlich frühstücken kann? Der Stern ist schuld, Madam, der Stern zwingt Sie zum Tanzen<, sagte er zur Roten Kuh. >Also los, dich meine ich.< Und er gab dem Oberhofmeister einen Wink. Der pflanzte sich mutig vor der Roten Kuh auf und begann, an dem Stern zu ziehen. Der Stern wollte aber nicht abgehen. Die Höflinge stellten sich nun alle in einer Reihe auf, bis sie schließlich eine lange Kette bildeten. Ein jeder faßte seinen Vordermann um den Leib, und nun begann zwischen den Schranzen und dem Stern eine Art Tauziehen.
>Vorsicht, mein Kopf!< bat flehentlich die Rote Kuh. >Fester ziehen!< rief der König.
Sie zogen fester. Sie zerrten, bis ihre Gesichter himbeerrot anliefen. Sie zerrten, bis sie nicht mehr konnten und alle rückwärts fielen, einer auf den andern. Der Stern rührte sich nicht. Er blieb fest am Horn stecken.
>Ttt, ttt, ttt!< machte der König. >Sekretär, hol das Lexikon und sieh nach, was dort über Kühe steht, die Sterne auf den Hörnern tragen.<
Der Sekretär kniete nieder und suchte unter dem Thron herum. Nach einem Weilchen tauchte er mit einem großen, grünen Buch wieder auf, das immer dort aufbewahrt wurde für den Fall, daß der König etwas wissen wollte.
Er blätterte in den Seiten.
>Hier ist nichts darüber zu finden, Euer Majestät, bis auf die Geschichte von der Kuh, die über den Mond sprang, und die kennt Ihr genau.<
Der König rieb sich das Kinn, weil ihm das beim Nachdenken half. Er seufzte unmutig und sah die Rote Kuh an. >Alles, was ich sagen kann, ist: Du versuchst es am besten auch.<
>Was soll ich versuchen?< fragte die Rote Kuh.
>Über den Mond zu springen. Es könnte helfen. Der Versuch lohnt sich, so oder so.<
>Ich?< fragte die Rote Kuh mit einem gekränkten Blick.
>Natürlich du – wer sonst?< sagte der König ungeduldig. Er hatte es eilig, zum Barbier zu kommen.
>Majestät<, bat die Rote Kuh, >bitte vergeßt nicht, daß ich ein ehrbares und hochangesehenes Tier bin, und daß mir von Kind auf eingeprägt wurde, Springen sei keine Beschäftigung für eine Dame.<
>Verehrteste<, sagte der König. >Sie kamen hierher, um meinen Rat einzuholen, und den habe ich Ihnen gegeben. Möchten Sie ewig so weitertanzen? Möchten Sie ewig hungrig bleiben? Möchten Sie in Zeit und Ewigkeit nicht mehr schlafen?<
Die Rote Kuh dachte an den frischen, saftigen Geschmack des Löwenzahns. Sie dachte an das Wiesengras und wie weich es sich darauf ruhte. Sie dachte an ihre vom Tanzen ermüdeten Beine und wie schön es wäre, alle viere auszustrecken. Und sie sagte sich: Einmal ist keinmal, schließlich kann es nichts schaden, und niemand – außer dem König – braucht es zu wissen.
>Wie hoch, denkt Ihr, ist es?< fragte sie laut und tanzte schon wieder. Der König sah zum Mond hinauf. >Mindestens eine Meile, schätze ich.<
Die Rote Kuh nickte. Das dachte sie auch. Einen Augenblick überlegte sie sich’s noch, dann aber war sie entschlossen.
>Ich hätte nie gedacht, daß man mir je so etwas zumuten würde. Springen – noch dazu über den Mond! Aber – ich will’s versuchen.<
Sie machte vor dem Thron ihre schönste Verbeugung.
>Brav!< sagte der König, erfreut bei dem Gedanken, daß er nun
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