Marzipaneier (Junge Liebe)
Männer starre, die mir auf der Zeil oder der Bergerstraße über den Weg laufen.
Bei Ben werde ich nie landen können, wie es aussieht. Deshalb bin ich an einem Punkt angekommen, an dem ich das Kapitel Ben abschließen muss, um, wie Cora meinte, vielleicht wirklich nach anderen Männern Ausschau zu halten. Irgendwo muss doch noch so ein heißes Eisen wie Ben, nur in meiner Altersklasse, herumlaufen. Dazu benötige ich nun eine stolze Menge an Standhaftigkeit. Um Ben und seiner Wirkung auf mich nicht mehr zu verfallen, werde ich mich ihm gegenüber distanzierter verhalten. Ich will ihm wehtun, vielleicht merkt er ja dann, dass er mich gern hat. Zu Anfang wird es hammermäßig schwierig werden, aber mit der Zeit werde ich lernen, ihm kühl und abgeklärt entgegenzutreten. Nur vor den anderen darf ich noch nicht schwul sein. Ansonsten sollten andere Typen nicht mehr tabu für mich sein.
Meinen ersten Versuch kann ich heute schon starten. Mittlerweile schreiben wir das letzte Augustwochenende. Das Frankfurter Museumsuferfest findet statt. Es hat Tradition bei uns, dass die ganze Familie am Samstag des Fests dorthin geht. Die Großeltern bezahlen fast alles, jedoch lautet die Bedingung dafür, dass der Abend im Zeichen der Familie stehen muss.
Das Museumsuferfest ist das größte aller Frankfurter Feste. Eigentlich eine Kulturschau pur auf sechs Kilometern Länge. Sowohl am linken als auch am rechten Mainufer. Hiddebach und Dribdebach. Bis über eine Million Zuschauer kommen jährlich. Man kann alles Mögliche kaufen, essen und saufen. Ich mag dieses Fest gerne, auch wenn wir es mit der Familie verbringen müssen. Diese spezielle Atmosphäre und das Umfeld einer warmen Sommernacht sind traumhaft.
Mum ist betrübt. Es ist das erste Jahr, an dem wir nicht vollständig sind. Abgesehen von 1992, als wir mit Windpocken zu Hause das Bett hüten mussten. Aber es wäre kein richtiges Fest, wenn nicht beim lahmsten Trauerochsen die miese Laune verfliegen würde. So vergeht die Tristesse selbst bei Mum. Cora hat mir gemailt. Sie hat es zum ersten Mal mit Felipe getan und sprach vom besten Sex, den sie je gehabt hat.
Natürlich hat Ben Bianka mit im Schlepptau. Sie sieht übernächtigt aus. Sie tut mir fast leid. Aber eben nur fast. Sie hätte ja nicht mitzukommen brauchen. Ihr schwarzes Kleid, das sie trägt, ist eng. Ganz schön zugelegt hat sie, die Gute. Sogar an Oberweite. Ben sticht mit seinem Hawaiihemd und knallroten Shorts deutlich hervor. Seine Beine sind braun gebrannt und behaart. Das macht mich schon wieder an. Er sieht verdammt sexy aus. Ich muss es schaffen, ihm mit gewissem Abstand entgegenzutreten. Wenn mein Schwanz sich nur nicht immer von ihm ablenken lassen würde. Was für ein Verräter! Ich mach mir mit einem Aufmunterungsschlag auf den Oberschenkel Mut.
Wir gehen flussaufwärts und wieder flussabwärts. Hüben wie drüben. Das ist toll. Ich habe es schon als Kind unheimlich gerne mitgemacht. Doch wir werden immer langsamer. Ich kann nicht genau erkennen, weshalb unser Tempo abnimmt. Vielleicht hat Oma wieder Probleme mit ihrer Hüfte. Seit dem letzten Winter hat sie das immer wieder, weil sie beim Skifahren gestürzt ist. Was für ein Sturz! Der war echt filmreif. Mit voller Wucht ist sie über eine Bodenwelle geschanzt und das mit 69 Jahren! Das muss ihr erst mal jemand nachmachen, ohne sich dabei ernsthaft zu verletzen. Oft schaffen es nicht einmal Teenager so eine Karambolage mit einem vereisten Berg heil zu überstehen. Für sie war es ein Zeichen des Himmels. An diesem Tag hat sie sich geschworen, nie wieder auf Bretter zu steigen, was ich sehr vernünftig finde. Wir brauchen sie schließlich noch eine Weile. Erst als alle stehen bleiben registriere ich Bianka mit Ben ein Stück abseits sitzen. Mit schmerzverzerrtem Gesicht hält sie sich den Bauch. Sie jammert.
„Bitte nicht. Es ist doch noch zu früh. Ich glaube, das sind die Wehen.“
„Sie war schon den ganzen Morgen seltsam drauf, aber sie meinte mit einer Brise frische Luft würde es vergehen“, meint Ben ganz unbeholfen.
Mum und Oma versichern, dass Zwillinge zum Großteil immer früher kommen. Das weiß selbst ich. Dad sagt es ja immer: „An den beiden ist eine astreine Oberschwester verloren gegangen.“ Aber vielleicht wäre Bianka besser beraten, die Damen nicht oberflächliche Diagnosen stellen zu lassen, sondern zu handeln. Dad hat ein Taxi aufgetrieben. Platz für alle gibt es nicht. Das ist mir recht. Da muss ich keinesfalls
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