Maschinenkinder
in die Kabine des Baggers; am Steuerthron werde ich abgesetzt. Sofort spanne ich die Brustmuskeln an – strecke meine Armstümpfe vor, als auch schon Kabel aus den Konsolen schnellen und sich mit meinen Nerven verbinden: Pro Arm drei Anschlüsse, und zwei im Nacken. Jetzt spüre ich das Gewicht der Schaufeln, die ich schwer in die Tiefe absenke, mit Hydraulik und Benzinkraft, um eine neue Grube auszuheben.
Aber der Boden ist hart, und ich keuche, während ich das Erdwerk bearbeite, ansteche, aufreiße und in meine gewaltigen Schaufeln schiebe. Wenn ich einen Ausleger hochziehe, spuckt der Motor schwarzen Qualm; die Baumaschine ist alt, sie müsste dringend ausgetauscht werden ... doch erst am Ende der Schicht.
Ich hoffe, wir halten solange durch.
Waggon auf Waggon; im rastlosen Takt kommen sie angerollt, keine Atempause zwischen den Eisenbahnen – unermüdlich, immer mehr, immer neue, und ich kippe den Abraum hinein, so schnell ich nur kann, trotzdem sind viele von ihnen leer, als sie zur Halde weiterrumpeln.
Wurde die Arbeitsfrequenz erhöht? Wie soll ich das Tagespensum so schaffen? Der Schweiß bricht mir aus, als ich den Bagger zur Höchstleistung antreibe, doch ich falle zurück, kann die Zeit nicht mehr aufholen, bis plötzlich das weiße Signallicht aufblitzt:
Fehlfunktion!
Halt!
Irgendwo hat sich eine Schaufel verharkt. Ich versuche, den Ausleger nach oben zu zerren, aber die Maschine bockt und stottert, um danach ganz abzuschalten. Was behindert den Arbeitsprozess? Ein Findling? Über Schulter und Hals lasse ich die Sensorspinne in mein Gesicht raufklettern und stelle die Schärfe neu ein – nein, nichts zu erkennen; der Störfaktor muss tief im Boden stecken ...
Also verlasse ich den Steuerthron.
Die Greifzangen hieven mich in eine Inspektionsgondel, deren Schiene rund um die Baustelle verläuft. Bei Punkt acht auf der Kreisbahn reduziere ich das Tempo auf null und aktiviere das Makro der Spinne: Überreste der Vorkultur, sehe ich sofort – eine Karosserie, verbeult, mit verkratzter Windschutzscheibe, und darin eingeschlossen wie ein Insekt in Industrieharz: ein menschliches Skelett. Arme, Finger, Beine; Knochenreste. Ich mache ein Foto fürs Protokoll und sende es zum Krematorium, ehe ich die Excavatoren herbeirufe, damit sie die Baugrube ausschaben, glätten.
Zeit vergeht.
Dann der Befehl, meine Schicht zu beenden. Gehorsam wechsle ich von einer Gondel in die nächste hinüber und fahre eine Schleife nach Süden, wo mein Lebenskubus hängt.
Ich freue mich, Ruhe.
***
Der Stahlpalast! In einem quaderförmigen Gittergerüst pendeln dort die Kuben im Wind, manche weiß, viele schwarz, je nachdem, ob Licht brennt oder nicht. Es ist früh, viele der Torsi sind noch auf Schicht und kehren erst nach der Dämmerung zurück.
Federnd sinkt die Gondel tiefer, schaukelt, schlägt aus, da der Wind sie erfasst, bis sie ein Stellwerk kreuzt und die Oberschiene zum Zentrum des Palastes nimmt. Dort wohne ich. Noch ein Schwenk, ein Abwärtsbogen – hier bilden Glaskuben einen quadratischen Tunnel, den ich halbblind durchfahre; Zwielicht stört die Bildübertragung, sodass ich von der Sensorspinne nur Umrisse empfange, grobkörnige Linien, Kanten, Flächen. Auf der gesamten Strecke bleibt es dunkel und still; ein einzelnes Zimmer ist erleuchtet, weit, weit hinten, und als die Gondel vorüberfährt, sehe ich durch milchige Wände den Schatten eines Torsos, der träge in seiner Schlafschaukel wippt. Ich bin müde. Die Schultern schmerzen. Nach meiner Ankunft werde ich mich ausruhen, ehe ich die Nährinfusionen anlege.
Ruckend nimmt die Gondel die letzte Gabelung, dann einen Bogen nach rechts, worauf die Bremsen greifen, die Tür aufgeht, und ich aus dem Sitz herausgehoben werde – mein Kubus öffnet sich; gleichzeitig springt das Licht an. Sanft, ohne Druck auf die Rippen, gleite ich an der Mediathek vorbei, zu einer Pritsche, wo mich die Zangen ablegen.
Ich schalte die Spinne aus.
Seltsam, dass ich zwar keine Töne von außen empfange, weil ich keine Ohrmuschel habe, mir keine zugeteilt wurde, aber mein Blut in den Adern brausen hören kann. Ganz deutlich. Ganz nah. Ein stimulierendes Donnern, das mich antreibt. Jetzt flackern Lichter in meinem Kopf, Blitze, blauweiß, ganz anders als die Bilder der Spinne. Und dieses Rauschen ...
Ich bin hungrig; es wird Zeit für meine Abendration und die tägliche Dialyse.
Doch bevor ich die Greifzangen herbeirufen kann, erhalte ich einen dringenden Rückruf des
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