Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maschinenmann: Roman (German Edition)

Maschinenmann: Roman (German Edition)

Titel: Maschinenmann: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Barry
Vom Netzwerk:
allerdings nicht gleich. Erst nach einigem Überlegen. Ich zog sie an mich und lag mit den Armen um sie da. Ein unglaublich schönes Gefühl.
    Das erwähne ich nur, weil es bis zu Lola Shanks’ Kuss das leidenschaftlichste Erlebnis meines ganzen Lebens war. Und zwar zwölf Jahre davor. Das ist wirklich eine lange Zeit.
    »Lola.« Die Stimme kam von der Tür.
    Mit einem Ruck löste Lola ihre Lippen von meinen. Ein schrecklicher Verlust. Ich entdeckte meine Chirurgin Dr. Angelica Austin, die vor Wut kochte.
    »Ich habe nur …« Lola ließ die Schultern sinken, als Dr. Angelica Austin gebieterisch winkte. Bevor sie sich abwandte, warf Lola mir einen Blick zu. Zugleich schuldbewusst und verheißungsvoll. Zögernd glitt ihre Hand von meiner Schulter. Dr. Angelica trat zur Seite, und Lola drückte sich an ihr vorbei. Ich wollte ihr nachrufen: Warte oder Komm zurück oder Danke, aber Dr. Angelicas Augen hielten mich davon ab. Sie werden meine Tochter nie wiedersehen. So ungefähr kam mir das vor. Sie fasste nach der Tür, als wollte sie sie zuknallen, doch dann nahm sie die Hand wieder weg, weil ich wegen Selbstmordgefährdung unter Beobachtung stand.
    Lola kam nicht wieder. Als Katie das Abendessen brachte, fragte ich, ob ich Lola sehen durfte. Katie versprach mir, sich zu erkundigen, aber auf eine Weise, die zum Ausdruck brachte, dass sie die Antwort schon kannte: nein. Anrufen konnte ich sie nicht, weil ich kein Telefon hatte. Aufstehen konnte ich nicht, weil ich keine Beine hatte. Und selbst wenn ich einen Rollstuhl in die Finger bekommen hätte, es hätte nichts genützt, da ich in einem Netz von Schläuchen und Beuteln hing. Ich saß in der Falle.
    Am nächsten Morgen erhielt ich Besuch von Cassandra Cautery, der Krisenmanagerin von Better Future. Sie trug ein eng anliegendes Jackett über einer Nadelstreifenbluse mit großem Kragen und einen knappen Rock. Eine Art Mischung aus Schulmädchen und Wall Street. Ihre Wangenknochen leuchteten vor Mitgefühl. »Ach, Charlie.« Sie drückte sich eine Hand auf die Brust. »Ach, Charlie.« Nachdem sie einen Stuhl zu meiner Bettkante gezogen hatte, sah sie mich mit feuchten Augen an. »Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie mitgenommen ich bin. Von dieser Sache. Von mir selbst. Von dieser ganzen Situation.«
    Ich wusste noch, dass sich Cassandra Cautery und D. Peters über mich unterhalten hatten, als ich blutend auf dem Boden von Labor 4 lag. Doch die Erinnerung daran war diffus, und der Inhalt des Gesprächs war mir entfallen. Allerdings hatte ich das dumpfe Gefühl, dass ich wütend hätte sein müssen.
    »Ich dachte wirklich, dass wir Ihnen die Unterstützung geben, die Sie brauchen. Aber das war offensichtlich nicht der Fall. Es tut mir furchtbar leid. Bitte verraten Sie mir eines: Was hätten wir sonst noch für Sie tun können?«
    »In welcher Hinsicht?«
    »Damit …« Sie legte mir die Hand auf den Arm. Ihre Finger waren erstaunlich warm. Irgendwie hatte ich erwartet, dass sie kalt waren. »Damit Sie sich gebraucht fühlen.«
    Es dauerte einen Moment, bis ich diesen Knoten entwirrt hatte. Indirekte Äußerungen verstehe ich sehr schlecht. Meistens nehme ich sie wörtlich und begreife erst hinterher, was die Leute gemeint haben. »Oh. Es war kein Selbstmordversuch. Das sage ich schon die ganze Zeit. Ich will mich nicht umbringen. Ich will nur meine Beine ersetzen.«
    Cassandra Cautery öffnete den Mund, als wollte sie etwas vorbringen, dann schloss sie ihn wieder. Sie neigte den Kopf und kniff die Augen zusammen.
    »Nur ein Bein zu haben ist unpraktisch«, fuhr ich fort. »Entweder benutzt man einen künstlichen Ersatz, der das Echte nachahmt, was im Grunde nicht machbar ist und die Möglichkeiten der Prothese einschränkt. Oder man baut eine wirklich gute Prothese, aber dann muss man sich mit einem biologischen Bein herumschlagen, das nicht damit Schritt halten kann. So ähnlich wie ein Auto, das die Beine des Fahrers als ein Rad benutzt. Ab einem gewissen Punkt ist die Biologie nur noch lächerlich.«
    Cassandra Cautery zögerte. »Ich weiß nicht, ob ich Ihnen ganz folgen kann.«
    »Ich kann es Ihnen zeigen. Meine Beine sind in der Firma.«
    »Ihre …« Ihre Hand huschte zum Mund. »Charlie, Ihre Beine sind weg. Sie wurden zerquetscht.«
    »Nicht diese Beine. Meine neuen Beine. Die ich gemacht habe.«
    Sie setzte sich zurück.
    »Ganz einfach. Erst habe ich ein prothetisches Bein gebaut. Dann wurde mir klar, dass ein Paar besser funktioniert. Also habe ich mein

Weitere Kostenlose Bücher