Masken der Begierde
Miss Delacroix?“
Violet winkte ab. „Ich bin außer Atem.“ Sie wischte sich über die Stirn und sah auf das Tudor-Anwesen hinunter. „Wir können umdrehen. Niemand wird je erfahren, dass wir deinen Bruder hintergehen wollten“, bot Violet Allegra an.
Wenn Violet ehrlich zu sich war, fiele ihr ein Stein vom Herzen, entschiede sich Allegra für diese Möglichkeit. Doch Allegra schüttelte nur stumm den Kopf. In ihrer Miene lag die Entschlossenheit einer Kriegerin. Violet konnte nur vermuten, was in dem Mädchen vorging. Vielleicht brauchte sie diesen Besuch, um sich etwas zu beweisen.
Violet berührte Allegras Arm. „Dann lass uns weitergehen.“
Statt eines Butlers ließ ein Hausmädchen die beiden ein. Mit einer Miene, als wäre es alltäglich, dass die Gäste der Lady zu Fuß eintrafen, nahm die Dienstbotin die Visitenkarte von Allegra entgegen.
„Erklärt Ihrer Ladyschaft, dass Lady Allegra St. Clare und ihre Gesellschaftsdame Miss Violet Delacroix da sind“, verlangte Allegra und warf Violet einen unsicheren Blick zu. Violet lächelte und zwinkerte ihrem Schützling zu.
Das Dienstmädchen kehrte kurz darauf zurück.
„Ihre Ladyschaft lässt bitten.“ Sie führte Allegra und Violet in den Salon.
Im Raum überwogen Blautöne, unterbrochen von Silberfarbe und extravaganten weißen Möbeln.
Violet sah das Staunen in Allegras Augen beim Anblick des unkonventionellen Mobiliars und stieß sie verstohlen an. Schuldbewusst zuckte Allegra zusammen.
Ein heiseres Lachen erklang. Die beiden wandten sich dem Geräusch zu und entdeckten eine dünne Frau, die vor einem der bodenlangen Vorhänge stand. Sie trug ein Morgenkleid von identischem Blau wie der Vorhang und verschwamm so mit dem Hintergrund. Sie trat vor, und Violet musterte die herben Gesichtszüge Lady Piktons.
Violet knickste, und Allegra tat es ihr nach.
Clara Sougham, Lady Pikton, näherte sich den beiden und betrachtete sie aufmerksam.
„Bitte setzt Euch!“ Sie wartete, bis Violet und Allegra auf der Chaiselongue saßen, ehe sie sich selbst in einem Sessel niederließ.
„Ihr seid Violet Delacroix?“
Violet nickte. „Ja, Mylady. Ich bin Miss St. Clares Gesellschafterin.“
Die ältere Dame sah sich Allegra an. „Dann bist du also Allegra St. Clare.“
„Jawohl, Mylady.“
Amüsiert betrachtete Lady Pikton Allegra. „Keine Angst, ich beiße nicht. Obwohl so manche Mimose des ton dies behauptet.“ Sie wandte sich einen Moment ab, um nach dem Dienstmädchen zu klingeln. „Dabei bin ich lediglich zu ungeduldig, um mich mit hirnlosem Geschwätz und dummen Menschen abzugeben.“
Die Bedienstete trat lautlos ein.
„Bring uns Tee und Gebäck, Sylvie.“ Lady Pikton lehnte sich zurück und fixierte Allegra. „Du siehst deinem Bruder ähnlich. Die gleichen Augen. Vielleicht auch der Mund. Ich bin mir nicht sicher, er lächelt ja nie.“
Violet unterdrückte ein Schmunzeln. Lady Pikton wirkte amüsiert. „Miss Delacroix, Ihr steht entweder lange genug in Diensten der St. Clares, um meiner Meinung zu sein, was Lord Pembrokes Griesgrämigkeit betrifft, oder zu kurz, um meine ernst gemeinte Einschätzung über Euren Arbeitgeber mit mir zu teilen.“
„Ich bin mir nicht sicher, Lady Pikton”, entgegnete Violet diplomatisch.
Die Lady lachte. „Auf jeden Fall kann man Lord Pembroke seinen Spürsinn für intelligentes Personal nicht absprechen.“
Sylvie glitt in den Raum und servierte den Tee.
Die drei Damen tranken schweigend aus den filigranen Tassen mit goldenem Rand, die ihnen vom Dienstmädchen gereicht wurden. Lady Pikton sah ihre Besucherinnen an und griff nach einem der Sandwiches.
„Meine liebe Allegra, was geht auf Halcyon Manor vor, dass Ihr dort so abgeschieden lebt?“ Ohne Umschweife sprach Lady Pikton an, was sie zweifelsohne schon längere Zeit beschäftigte.
Allegras Wangen färbten sich rosa, und sie sah auf ihre Finger.
„Die St. Clares lieben die Einsamkeit“, erklärte Violet schnell.
Lady Pikton warf Allegra einen scharfen Blick zu. „Mir scheint, die junge Miss St. Clare sieht das ein wenig anders.“ Sie wehrte Allegras Protest mit einem Kopfschütteln ab. „Behaltet Eure Geheimnisse, Miss St. Clare. Wenn Ihr älter und erfahrener seid, werdet Ihr feststellen, dass eine rätselhafte Dame der Liebling des ton werden kann.“ Lady Pikton lächelte und griff nach einem Holzkästchen neben sich. „Meine Lieben, stört es Euch, wenn ich rauche?“
Allegras Kopf fuhr hoch, und Lady Pikton
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