Masken der Begierde
gleichzeitig seine Schritte zu beschleunigen. Dieses treulose Weibsbild! Wenn er sie erwischte!
„Lord Pembroke.“ Ein Arm legte sich auf seinen, und jemand hielt ihm einen Champagnerkelch entgegen. Automatisch griff er danach.
Lady Pikton nickte ihm freundlich zu. „Es ist mir eine große Ehre, dass Ihr mit Allegra und Miss Delacroix meiner Einladung gefolgt seid.“ Sie stieß mit Lucas an. „Ihr müsst unglaublich stolz auf Allegra sein”, plauderte Clara Sougham.
Lucas versuchte, über Lady Piktons Kopf hinweg Violet oder Allegra zu erspähen. Immerhin ließen die Sorge um Allegra und die Ablenkung durch die verflixte Lady seine Erektion schrumpfen. Leider steigerte sich sein Zorn im gleichen Maße.
Frauen, weshalb nur gab es Frauen? Sie schnatterten in einem fort, verprassten das hart verdiente Geld der Männer, mischten sich in alles ein und trieben die Gatten in den Wahnsinn.
„Fühlt Ihr Euch wohl, Lord Pembroke? Ihr wirkt irgendwie verbissen?“, fragte Lady Pikton wenig zurückhaltend.
Lucas besann sich auf seine Manieren und zwang sich zu einem Lächeln. „Verzeiht, Lady Pikton. Ein wunderbares Gartenfest, wirklich gelungen.“ Er drückte ihr sein Glas in die Hand und lief Richtung Haus davon, weil er meinte, Allegra dort gesehen zu haben. Aus dem Augenwinkel sah er noch, wie Lady Pikton den Kopf schüttelte.
Violet war nicht wohl gewesen dabei, Allegra allein bei Leandra Sougham zu lassen. Doch ihr fiel kein Grund ein, Allegra die Bitte nach ein wenig Zweisamkeit mit einer Gleichaltrigen zu verweigern, der keine Fragen der Anwesenden nach sich gezogen hätte. Zudem gefiel es Allegra gewiss nicht, an Violets Gängelband zu hängen. Schweren Herzens folgte Violet Lady Pikton, wurde dem gesamten Landadel des Lake District vorgestellt und schließlich in der Obhut einer gütigen alten Dame zurückgelassen. Mrs. Hendry mochte um die achtzig Jahre zählen und erwies sich als enorm schwerhörig. Wann immer Violet Anstalten machte, sich zu verabschieden, zupfte die gute Mrs. Hendry an ihrem Kleid oder ihrem Schmuck und ließ den Stock fallen, auf den sie sich stützte.
Als Violet sich endgültig mit dem Anliegen verabschiedete, nach ihrem Schützling zu sehen, schloss sich ihr Mrs. Hendry ungefragt an.
Obwohl Violet nicht wohl dabei war, unhöflich zu reagieren, vor allem da Mrs. Hendry eine wirklich reizende Person zu sein schien, eilte Violet über das Grundstück. Die Gehstock schwingende Mrs. Hendry hängte sie jedoch nicht ab. Im Gegenteil, langsam ging Violet die Puste aus, ihre Zehen schmerzten in den engen Schuhen, und sie fühlte sich erhitzt.
„Seht nur, ist das nicht Miss St. Clare?“ Mrs. Hendry deutete mit ihrem Gehstock Richtung Terrasse.
Violet stockte der Atem. Allegra rannte auf die Veranda. Auf ihrer Miene lag ein entrücktes Lächeln, und sie breitete ihre Arme aus, einer Ballerina gleich, die eine Pirouette drehen wollte. Violet wandte sich zu Mrs. Hendry um. Mit besorgtem Stirnrunzeln berührte die alte Dame Violets Arm mit ihrem Stock.
„Lauft zu Euren Schützling, Miss Delacroix.“
Allegra wiegte sich im Takt einer Melodie, die nur sie vernehmen konnte, sie drehte sich und lachte. Violet raffte ihre Röcke und hastete hinauf zur Terrasse. Sie bemerkte die Blicke der Anwesenden auf sich. Spürte die bohrende Neugier und hörte das Getuschel, als die Ersten auf Allegra aufmerksam wurden.
Violets Verstand arbeitete unter Hochdruck. Die Fenster und Türen der Räume, die an die Veranda grenzten, waren geöffnet. Hinter einem der Fenster entdeckte Violet ein Piano. Ihr Blick flog zu Allegra, die sich tänzelnd auf der Terrasse bewegte.
Violet trat forsch an das Klavier und begann, ein Sonett zu spielen, das wenigstens einigermaßen mit den Bewegungen Allegras harmonierte. Violets Finger glitten über die Tasten. Sie beobachtete Allegra, ignorierte das furchtsame Pochen ihres Herzens, dessen Widerhall in den Wangenknochen spürbar war, während sie fieberhaft überlegte, was sie tun konnte, um Allegras Anfall zu vertuschen.
Inzwischen sammelten sich die Gäste vor der Terrasse und beobachteten Allegra neugierig. Auf manchen Mienen sah Violet Wohlwollen, auf anderen hingegen Missbilligung. Mrs. Hendry stand in vorderster Reihe und klatschte. Als einige andere zögerlich einfielen, drehte sie sich herum.
„Das Mädchen ist eine begnadete Tänzerin. Meine Herren, Ihr solltet dafür sorgen, beim nächsten Ball auf der Tanzkarte der jungen Miss St. Clare einen Platz
Weitere Kostenlose Bücher