Masken der Begierde
kümmern. Ihre Reaktion auf dem Fest hatte ihn beeindruckt. Sie hatte die Situation in Windeseile erkannt und umgehend reagiert. Ihm selbst wäre niemals in den Sinn gekommen, Allegras labilen Ausbruch als Tanzeinlage zu tarnen.
Er warf Violet einen kurzen Seitenblick zu. Einige Strähnen ihres Haares hatten sich aus ihrer Hochsteckfrisur gelöst und kringelten sich nun auf ihrer Schulter. Lucas schluckte und zwang seine Konzentration auf den Weg und sein Pferd.
Er konnte nichts mit Frauen anfangen, rief er sich streng zur Ordnung. Seine Beziehungen zu diesen erwiesen sich als konstant unbefriedigend. Angefangen von Bethany, Allegras Mutter, bis hin zu Lady Munthorpe. Selbstverständlich war sie zu jener Zeit nicht Lady Munthorpe gewesen. Die spröde Frau hatte sein Herz mit ihrem mitfühlenden Wesen und ihrer Schönheit erobert, doch dann zog sie ihm Lord Munthorpe, einen zwielichtigen Schönling, vor.
„Lord Pembroke? Lucas?“ Violet sprach leise.
Lucas vergewisserte sich, dass Allegra schlief. „Violet?“ Er verlieh seiner Stimme einen betont lockeren Tonfall.
„Sind Allegras Anfälle vererbt?“
Lucas schnalzte, damit das Pferd schneller lief.
„Nein, soweit mir bekannt ist, stand nichts dergleichen im Testament meines Vaters“, scherzte er ausweichend.
Violet schnaubte. Offenbar stand ihr der Sinn nicht nach Witzen.
Natürlich verdiente sie die Wahrheit, nachdem sie sich als treue und zuverlässige Verbündete erwiesen hatte.
„Es gab im siebzehnten Jahrhundert eine Ahnin, Lady Edwina, die wohl fälschlich als Hexe verbrannt wurde“, gestand er.
Violet schwieg einen Moment. „Und Allegras Mutter? Bethany?“
Lucas’ Herz stach. „Sie hatte ähnliche labile Zusammenbrüche wie Allegra“, gab er zu.
Er erinnerte sich an die haselnussäugige Schönheit, die eines Tages für einen Wochenendbesuch gekommen und nie wieder gegangen war. Sie hatte ihn bezaubert mit ihrem mystischen Wesen und ihrer exaltierten Art. Von Anfang hatte sie keinen Zweifel gelassen, dass sie an ihm interessiert war, und verliebt wie er war, hätte er sie sogar geheiratet. Doch dann hatte sie seinen Vater geehelicht, kaum dass er Halcyon Manor verlassen hatte. Der Brief, den sie ihm zusandte, vermutlich um ihm ihr Tun zu erklären, war durchdrungen von ihrem Irrsinn. Von Gefasel über Bestimmung und Schicksal und dass sie nie seine Frau sein könnte. Dass es für ihn nur eine geben könnte, eine, die später in sein Leben träte. Natürlich hatte sein Vater ihm nicht geglaubt, dass Bethany offenbar geisteskrank war, und ein Streit war die Folge gewesen. Daraufhin legte Lucas die Besuche auf sein geliebtes Halcyon Manor in Zeiten, in denen sein Vater nicht anwesend war. Bei diesen Gelegenheiten bekam er auch Bethany nicht zu Gesicht. Entweder begleitete sie den Vater oder sie sperrte sich in ihren Gemächern ein. Nicht dass er darüber traurig war, doch eine Aussprache mit Bethany hätte er sich gewünscht.
„Und …“
„Ich rede nicht über Verstorbene. Ob Bethany ihre Krankheit an Allegra vererbt hat, ist unerheblich. Es ändert nichts an dem Umstand, dass Allegra das Leiden hat.“
Violet hockte sichtlich beleidigt neben ihm. Einen Moment lang fühlte er sich schuldig, doch dann erinnerte er sich daran, dass Frauen und er nicht zusammenpassten.
Lucas ließ sich erleichtert in seinen Lehnsessel sinken. Nach einem kleinen Dinner hatten sich Violet und Allegra früh zurückgezogen, und er konnte sich ungestört seinem Papierkram widmen. Erledigte Arbeit war ihm immer noch die liebste Arbeit und so saß er – zufrieden mit sich und der Welt – vor dem Kamin.
In der einen Hand ein Glas seines besten Brandys, in der anderen seine geliebte Zigarre, lehnte er sich zurück und erfreute sich an der Ruhe.
Das Haus lag komplett im Dunkeln. Nur hier im Arbeitszimmer brannte die Studierlampe auf dem Beistelltisch neben seinem Sessel. Er nippte an seinem Brandy, genoss Schärfe und Bitternis des Drinks und stellte das Glas ab. Das Licht reflektierte goldbraune, nach außen heller werdende Kreise in der Flüssigkeit.
Der Duft der Zigarre stieg Lucas in die Nase. Er sog genießerisch und stieß den Rauch aus. Der Geruch von Tabak hatte etwas Tröstliches und zugleich Vertrautes. Es gab ihm jedes Mal wieder das Gefühl, ein Jüngling zu sein, der zum ersten Mal in einen Herrenclub eingelassen wurde, dort im Rauchersalon stand und mit den Größen des hohen Hauses debattieren durfte.
Lucas seufzte. Er sehnte sich
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