Masken der Begierde
Wange, glitten den Hals über die Schultern an den Armen entlang und erreichten ihre Hände. Ihre Finger verflochten sich miteinander.
„Lucas“, murmelte sie. „Ich habe recht mit den Anfällen, nicht wahr?“
Er wirkte ernüchtert, setzte sich auf und zog Violet hoch.
„Ja“, antwortete er ohne Umschweife. Abwesend zupfte er an Violets Kleidung herum, richtete ihr Oberteil, ordnete ihren Kragen.
„Wie lange geht das schon?“, fragte Violet weiter.
Lucas steckte einige vorwitzige Haarsträhnen hinter Violets Ohr fest.
„Kurz nach deiner Ankunft traten die Anfälle das erste Mal auf.“
Violet hielt ihn davon ab, weiter an ihr herumzuzupfen, indem sie seine Hände festhielt.
Er sah sie an. „Ich habe mich damit arrangiert. Es gibt keine Heilung.“ Lucas wirkte ruhig und gefasst. Ein krasser Gegensatz zu seinem vorherigen Gefühlsausbruch.
Violet musterte ihn. Es lag tatsächlich in der Familie. Eine Veranlagung, vielleicht auch ein Fluch. Wer konnte das schon wissen? Violet war sich nur über eines im Klaren: Sie wollte Lucas und Allegra zur Seite stehen. Sie fühlte sich beiden verbundener als ihrer eigenen Familie.
„Wie kann ich dir helfen, Lucas?“, erkundigte sie sich.
Lucas schüttelte den Kopf. „Mir ist nicht zu helfen. Kümmere dich um Allegra, wenn“, er verbesserte sich rasch, „falls mir etwas zustößt. Versprich es mir, das ist das Einzige, worum ich dich bitten möchte.“
„Selbstverständlich“, entgegnete sie verwirrt.
Er nickte wie zur Bestätigung. Seine Miene war eine undurchdringliche Maske, als er sie musterte. Violet legte ihre Hand auf seine Wange. Er drehte seinen Kopf, sodass er einen Kuss auf ihre Handfläche hauchen konnte.
„Geh auf dein Zimmer“, forderte er sie auf. „Und halte dich fern von mir, wenn ich wieder einen Anfall habe. Sperr mich ein, wenn es möglich ist, aber komm mir nicht zu nahe.“
„Weshalb das denn?“, wollte sie verdutzt wissen.
„Zu deinem und Allegras Schutz. Du hast mich doch erlebt“, sagte er.
Violet nickte. „Ja, aber das ist kein Grund, dich einzusperren.“
„Doch“, beharrte er. „Ich würde es mir nie verzeihen, jemanden während eines Zusammenbruchs anzugreifen.“
„Du machst mir Angst“, gestand Violet.
Lucas drückte ihre Hand. „Geh schlafen, morgen ist ein langer Tag.“ Er zog sie hoch und schob sie nachdrücklich aus dem Zimmer.
Fassungslos starrte Violet auf die geschlossene Tür, ging aber, wie Lucas es gewünscht hatte.
Violet begrüßte Neil St. Clare. Sein dunkles Haar klebte, gefügig gemacht mit reichlich Pomade, an seinem Kopf. Er kniff die Augen zusammen, als er Violets Gruß erwiderte. Der rauchige Geruch seiner Haarcreme erschlug Violet beinahe. Sie war erleichtert, dass Neil beim Essen nicht neben ihr sitzen würde.
„Ihr seid von der Einsamkeit hier draußen noch nicht in die Flucht geschlagen worden?“, erkundigte sich Neil höflich.
„Natürlich nicht, ich liebe das beschauliche Landleben“, erwiderte Violet heiter.
„Aber eine hübsche junge Dame wie Ihr müsst doch die Annehmlichkeiten Londons oder wenigstens eine größere Stadt vermissen“, beharrte Neil.
„Ihr erweckt den Eindruck, als wolltet Ihr Miss Delacroix die Anwesenheit im Lake District verleiden!“ Lady Pikton trat neben Violet und reichte Neil ihre Hand zum Kuss.
„Niemals“, entrüstete sich Neil. „Ich sehe doch, wie gut ihre Gesellschaft Allegra bekommt.“ Er sah sich suchend um. „Wo ist das Mädchen? Ich möchte sie begrüßen.“
Er nickte Lady Pikton und Violet zu und ging zu Allegra hinüber. Als diese ihn entdeckte, schien sie nach einer Fluchtmöglichkeit Ausschau zu halten. Sie begrüßte ihren Cousin mit verbissenem Lächeln. Was sie redeten, konnte Violet nicht hören, zumal Lady Pikton, Leandra Sougham und Mrs. Hendry um sie herumstanden.
„Dieser Mann, ich bin ihm bereits begegnet, nicht wahr, Miss Delacroix? Wie war doch gleich sein Name?“ Mrs. Hendry stützte sich schwer auf ihren Stock. Ein Häubchen saß auf ihren Locken, die hin und her schwangen, als sie ihren Kopf schüttelte.
„Neil St. Clare. Er ist ein Verwandter Lord Pembrokes, Mrs. Hendry“, antwortete Violet.
„Richtig.“ Mrs. Hendry nickte. „Ich mag den Mann nicht. Er hat etwas von einer Ratte an sich. Einer tollwütigen Ratte“, fügte sie hinzu. Sie tätschelte Violets Hand, als sie deren Bestürzung erkannte. „Blickt nicht so schockiert drein. In meinem Alter ist es erlaubt, immer und schonungslos
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