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Masken der Lust (German Edition)

Masken der Lust (German Edition)

Titel: Masken der Lust (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noelle Mack
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Durchkommen mit Seesack und Rucksack reichlich schwergemacht, aber Sarah hatte sich durchgewühlt. Ihre Herberge hatte sie, aufrecht in einem Fährschiff, einem traghetto, stehend, auf Umwegen gefunden, die sie tatsächlich erneut über den Canal Grande, nach Dorsoduro und schließlich zu Signora Dolcettis Pension geführt hatten. Sie hatte ihre Taschen in dem schäbigen Zimmer abgesetzt und war froh gewesen, endlich angekommen zu sein. Jetzt fiel ihr ein, dass es das Haus auch schon zu dieser Zeit gab. Sie sollte dort vorbeigehen, ein, zwei Wörter in die Fassade ritzen und sehen, ob sie sich in ihrem Jahrhundert noch finden ließen.
    Doch dann wurde sie abgelenkt, als Marco ihr auf die Schulter tippte.
    «Was wolltest du sagen?»
    «Oh. Ich wollte eben sagen, dass ich mir die Basilika ursprünglich irgendwann morgens ansehen wollte, wenn sie nicht so belagert ist.»
    «Ah.» Er schien erfreut zu sein. «Alsdann. Du wirst sie jetzt wie eine richtige Venezianerin sehen statt als Touristin.»
    Die Vorstellung erfreute sie.
    Ihr Gondoliere manövrierte das Boot zwischen Dutzenden anderen hindurch, bis es auf den sanften Wellen schaukelte, die sich an den Steinen der Piazzetta brachen, von der es zum viel größeren Markusplatz ging. Dort schlenderten Leute in kleinen Gruppen umher und brachten Taubenschwärme dazu, aufzuflattern, auseinanderzustieben und wieder zu landen.
    Marco und Sarah stiegen aus, wobei sie seine Hand umklammert hielt, als hinge ihr Leben davon ab. Teufel auch, ihre Würde hing davon ab. Sie konnte sich nur zu gut ausmalen, wie sie in den Canal Grande fiel und ihr nichts anderes übrig blieb, als sich aus dem ausladenden Kleid herauszuwinden oder unterzugehen. Und dann würde man sie in einem durchweichten, nach Meerwasser stinkenden Unterrock herausziehen müssen.
    Sarah holte tief Luft und machte einen großen Schritt von der Gondel auf die Anlegestelle der Mole. Sie blickte gar nicht erst auf das Wasser hinunter.
    Wie die Gruppen von Spaziergängern nahmen auch sie sich Zeit, um den Dogenpalast zu betrachten, bewunderten seine durchbrochenen Bögen und wohlgestalte Fassade mit dem dunkelgoldenen und weißen Flechtmuster, und sie ließ Marco vor den beiden hohen Granitsäulen am Wasser anhalten.
    «Nicht hindurchgehen. Das bringt Unglück. Hier stellen sie den Galgen auf und tun Staatsfeinden noch Schlimmeres an.»
    Sie hörte kaum zu, während sie emporstarrte und auf der einen Säule Theodorus und das Krokodil, auf der anderen den geflügelten Markuslöwen entdeckte.
    «Ist er nicht wundervoll?» Sie reckte den Hals, um den Löwen zu betrachten, der mit Augen aus Achat auf das Meer hinausstarrte.
    «Ja, das ist er.»
    Das Abbild des geflügelten Löwen war überall, prangte auf Bannern in Rot und Gold. Das Sinnbild der Stadt. Sie bogen um die Ecke auf die große Piazza ein und hatten die Basilika mit ihren fünf Kuppeln vor sich.
    Es verschlug ihr den Atem, mit einem Mal die Basilika San Marco zu sehen, wie sie in ihrer sagenhaften Pracht hoch über ihnen aufragte. Die Kirche wirkte weitaus größer als bei ihrer Ankunft, aber jetzt musste sie sich auch keinen Weg zwischen Tausenden von Leuten in Andenken-T-Shirts hindurchbahnen und bekam keine blauen Flecke von ihren Rucksäcken und Gürteltaschen.
    Leuchtend bunte Mosaike füllten die Frontalbögen aus, und vier bronzene Rösser, die vergoldeten Kummete in der Sonne glänzend, standen über dem Haupttor. Osten und Westen begegneten einander und verschmolzen in dieser ruhmreichen, irgendwie bizarr anmutenden Architektur. Noch nie hatte sie etwas auch nur entfernt Ähnliches gesehen – es war wahrhaftig ein Weltwunder –, und ihr entzückter Ausruf ließ Marco schmunzeln. Doch die venezianischen Fußgänger auf der Piazza würdigten die Kirche kaum eines Blicks.
    Ihr Glücklichen, dachte sie spöttisch. Habt euch das richtige Jahrhundert ausgesucht, um Venezianer zu sein, aber die Touristen sind schon im Kommen.

    Im Palazzo war unterdessen ein Schwarm Näherinnen eingetroffen. Sie hören sich ähnlich wie die Tauben auf dem Markusplatz an, Sarah beim Eintreten, als sie das leise Gemurmel vernahm.
    «Ich hätte dich warnen sollen, dass es so viele sein würden. Sie haben zwei Tage, um dir ein Ballkleid zu nähen», sagte Marco zu ihr und reichte einem Diener seinen Hut.
    «Sie übernachten doch nicht alle hier, oder?»
    Er zwinkerte ihr zu. «Warum nicht? Das Kleid muss äußerst passgenau gefertigt werden. Dazu braucht es viele Hände, wenn

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