MASKENBALL UM MITTERNACHT
stellte sie diese Überlegungen an, da ihre vornehme Herkunft und ihr Reichtum ebenso Teil ihrer Persönlichkeit waren wie ihr Lachen und ihr Temperament. Wie sollte sie wissen, was die Männer für sie empfinden würden, wäre sie eine einfache Bürgerstochter und nicht die Schwester eines Dukes. Es gab ihr ein angenehmes Gefühl der Sorglosigkeit, dass dieser Fremde ihr ohne Vorbehalte Komplimente machte.
„Oh nein“, wehrte sie ab. „Wir dürfen einander nicht unsere Namen nennen. Das würde den Schleier des Geheimnisses lüften. Haben Sie nicht eben noch gesagt, dies sei der ganze Spaß an einer Maskerade – das Geheimnis und Rätsel, nicht zu wissen, mit wem man es zu tun hat?“
Er lachte. „Sieh da, meine Schöne, Sie haben mich mit meinen eigenen Worten geschlagen. Ich finde es eigentlich ungerecht, dass eine schöne Frau wie Sie auch noch mit Klugheit gesegnet ist.“
„Sie verlieren wohl nicht gern und wollen stets recht behalten“, konterte Callie.
„Es gibt Situationen, in denen es mir durchaus einerlei ist, zu verlieren. Aber diesmal würde ich es sehr bedauern, Sie zu verlieren.“
„Mich verlieren, Sir? Wie können Sie etwas verlieren, das Sie nicht besitzen?“
„Ich würde die Chance verlieren, Sie wiederzusehen“, entgegnete er. „Wie soll ich Sie wiederfinden, wenn ich Ihren Namen nicht kenne?“
Callie warf ihm einen schalkhaften Blick zu. „So wenig Selbstvertrauen? Ich könnte mir denken, Sie finden einen Weg.“
Er lächelte mit leiser Ironie. „Ihre hohe Meinung von mir ist durchaus schmeichelhaft. Aber Sie geben mir doch wenigstens einen kleinen Hinweis, nicht wahr?“
„Nicht den geringsten“, entgegnete Callie liebenswürdig. Es gab ihr ein wunderbar befreiendes Gefühl, nicht sie selbst zu sein, nicht abwägen zu müssen, ob ihre Worte ihrem Bruder oder ihrer Familie schaden könnten. Es war wohltuend, für eine Weile nur eine junge Frau zu sein, die mit einem gut aussehenden jungen Mann kokettierte.
„Wie ich sehe, muss ich wohl jede Hoffnung in diesem Punkt fahren lassen“, sagte er. „Sagen Sie mir wenigstens, welche historische Figur Sie in diesem Kostüm darstellen?“
„Können Sie sich das nicht denken?“, fragte Callie in gespielter Entrüstung. „Ich bin bestürzt! Dabei dachte ich, mein Kostüm sei unverwechselbar.“
„Eine Dame aus der Tudorzeit, schätze ich“, überlegte er. „Aber nicht aus der Zeit der Königin, die Lady Pencully darstellt. Aus der Regierungszeit ihres Vaters vermutlich.“
Callie neigte den Kopf seitlich. „Damit liegen Sie richtig.“
„Also können Sie niemand anderes sein als eine Königin“, fuhr er fort.
Sie nickte hoheitsvoll.
„Ich hab’s. Die verführerische Anne Boleyn.“
Callie lachte hell. „Oh nein, ich fürchte, Sie haben sich für die falsche Königin entschieden. Im Übrigen würde ich niemals wegen eines Mannes meinen Kopf verlieren.“
„Catherine Parr. Natürlich, ich hätte es wissen müssen. So schön, das Herz eines Königs zu gewinnen und so klug, sich seine Gunst zu bewahren.“
„Und was ist mit Ihnen? Stellen Sie einen bestimmten Cavalier dar oder nur einen beliebigen Anhänger des Königs?“
„Nur einen Royalisten.“ Er seufzte leise. „Es war die Idee meiner Schwester. Ich habe den Verdacht, dass sie sich mit dieser Maskerade lustig über mich machen wollte.“
„Was an Ihrem Kostüm fehlt, ist die Perücke“, erklärte Callie. „Eine schulterlange schwarze Lockenperücke.“
Er lachte. „Nein. Gegen die Perücke sträubte ich mich. So ein Ding versuchte sie mir auch noch einzureden, aber ich blieb unnachgiebig.“
„Ist Ihre Schwester gleichfalls anwesend?“
„Nein, ich besuchte sie auf meiner Reise nach London. Sie kommt erst zu Beginn der Saison.“ Er musterte Callie mit einem spöttischen Lächeln. „Versuchen Sie zu erraten, wer ich bin?“
Callie schmunzelte. „Sie haben mich ertappt, Sir.“
„Aber ich scheue mich keineswegs, mich erkennen zu geben. Mein Name …“
„Nein, das wäre nicht gerecht. Im Übrigen erfahre ich Ihren Namen ohnehin, wenn Sie herausgefunden haben, wer ich bin, und mir Ihre Aufwartung machen.“
„Tatsächlich?“ In seine Augen trat plötzlich ein Funkeln, das nichts mit Humor zu tun hatte. „Gestatten Sie mir denn, Ihnen meine Aufwartung zu machen?“
Callie legte den Kopf seitlich und gab sich den Anschein, ihre Antwort sorgsam abzuwägen. In Wahrheit aber war sie über ihre eigenen Worte verblüfft, die
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