MASKENBALL UM MITTERNACHT
unbeabsichtigt aus ihr herausgesprudelt waren. Es verstieß gegen die Etikette, einem Herrn, den sie kaum kannte, einen Besuch zu gestatten – zumal er sie gar nicht darum gebeten hatte. Sie war wieder einmal voreilig und unbedacht. Ihre Großmutter wäre entrüstet, würde sie davon erfahren.
Allerdings hatte Callie nicht den Wunsch, ihre Einladung zurückzunehmen. „Warum nicht?“, erwiderte sie schmunzelnd.
Der Walzer endete, und sie spürte einen Stich des Bedauerns, als ihr Tanzpartner sie von der Tanzfläche führte. Mit einer galanten Verneigung hob er ihre Hand, und seine Lippen strichen über ihre Finger. Obwohl sie die Berührung durch die Handschuhe nicht spüren konnte, flammte Hitze in ihr auf. Sie sah ihm nach, als er sich entfernte, und fragte sich erneut, wer dieser atemberaubend gut aussehende Mann sein mochte.
Würde er ihr seine Aufwartung machen? Hatte er eine ähnlich Anziehung gespürt wie sie? Würde er sich die Mühe machen, herauszufinden, wer sie war? Oder war er nur ein flatterhafter Charmeur, der alle Frauen umschmeichelte? Callie wusste, dass sie mit ein paar geschickten Fragen an die richtigen Adressen seinen Namen ohne Weiteres herausfinden könnte, aber seltsamerweise fand sie die Ungewissheit amüsant. Durch sie erhöhte sich die Spannung, eine ungewisse Vorfreude, eine prickelnde Erregung, ob er sie tatsächlich aufsuchen würde.
Es blieb ihr allerdings wenig Zeit, über den Cavalier zu grübeln, denn ihre Tanzkarte füllte sich, und sie verbrachte die nächste Stunde auf der Tanzfläche, bevor sie sich eine wohlverdiente Pause gönnte, an einem Glas Punsch nippte und mit Francesca plauderte. Und dann entdeckte sie ihre Großmutter, die durch das Gedränge direkt auf sie zusteuerte und den Arm eines mürrisch dreinblickenden aschblonden Herrn umklammert hielt.
Callie seufzte vernehmlich.
Francesca sah sie besorgt an. „Ist etwas nicht in Ordnung?“
„Meine Großmutter. Ich wette, sie hat schon wieder einen Heiratskandidaten an der Angel.“
Lady Haughston entdeckte die Dowager Duchess. „Aha, ich verstehe.“
„Sie ist besessen von der Idee, mich demnächst zu verheiraten. Ich fürchte, sie lebt in der ständigen Angst, dass ich unweigerlich als alte Jungfer ende, wenn ich mich nicht noch in dieser Saison verlobe.“
Francesca musterte das ungleiche Paar, das sich ihnen näherte. „Denkt sie tatsächlich, Alfred Carberry sei der Richtige für dich?“, fragte sie stirnrunzelnd.
„Zumindest denkt sie, Alfred Carberry ist der Richtige für sie“, antwortete Callie. „Er ist der übernächste Anwärter auf den Grafentitel. Allerdings ist sein Großvater noch quicklebendig und erfreut sich bester Gesundheit, ganz zu schweigen von seinem Vater. Bis es also so weit ist, wird Alfred weit in den Sechzigern sein.“
„Und außerdem ist er ein grässlicher Langweiler“, betonte Francesca. „Alle Carberrys sind grässliche Langweiler. Aber wie könnte es auch anders sein, da sie alle in einem gottverlassenen Nest in Northumberland leben. Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass du in einer Ehe mit ihm glücklich wirst.“
„Aber er ist ein respektabler Gentleman.“
„Mmm, das ist einer der Gründe, warum er so gähnend langweilig ist.“
„Aber das ist ganz im Sinne meiner Großmutter.“
„Und außerdem ist er fast vierzig.“
„Gut. Aber Männer meines Alters neigen zum Leichtsinn. So einer macht sich vielleicht auf und davon und tut Dinge, die keineswegs respektabel sind. Nein, Großmutter bevorzugt solide und langweilige Kandidaten. Natürlich aus guter Familie. Vermögen wäre ihr willkommen, ist aber zweitrangig.“
Francesca schmunzelte. „Wie ich dich einschätze, wird deine Großmutter eine Enttäuschung erleben, fürchte ich.“
„Ja, und ich bin dazu verdammt, mir ihre endlosen Moralpredigten anzuhören, die ich nun schon den ganzen Winter ertragen musste.“
„Du Ärmste“, sagte Francesca mitfühlend. „Vielleicht solltest du mich bald besuchen. Ich gebe meinem Butler Anweisung, alle langweiligen und soliden Herren abzuweisen – das gilt natürlich auch für langweilige Damen.“
Callie lachte und hielt sich den offenen Fächer vor den Mund. „Lass das bloß nicht Großmutter hören, sonst untersagt sie mir den Umgang mit dir.“
„Calandra, mein Kind, da bist du ja. Wieso tanzt du nicht? Und Lady Haughston. Sie sehen wie immer bezaubernd aus.“
„Vielen Dank, Duchess“, antwortete Francesca und vollführte einen
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