MASKENBALL UM MITTERNACHT
den Tag in Daphnes Gegenwart gelassen durchzustehen, um Callie das Vergnügen zu gönnen, Lord Bromwell zu gefallen.
Eine Stunde später versammelte sich eine fröhliche Gruppe für den Ausflug nach Richmond Park, bestehend aus Lord und Lady Radbourne, Lord Bromwell und seiner Schwester, Francesca und Callie, sowie Archie Tilford, Miss Bettina Swanson und deren Bruder Reginald, einem liebenswürdigen jungen Mann, der sein Studium in Oxford soeben beendet hatte. Miss Swanson und ihr Bruder fuhren im eleganten Landauer von Lord Radbourne, der sein Pferd freundlicherweise Francesca überließ.
„Der Wallach ist gewiss froh, einen besseren Reiter im Sattel zu haben als mich“, erklärte er ihr schmunzelnd. Aus Lord Radbourne, der als Kind lange Zeit kränkelte, war nie ein schneidiger Reiter geworden wie aus anderen Aristokraten.
„Und Ihnen, Mylady“, erklärte Bromwell an Callie gewandt, nahm sie beim Ellbogen und führte sie zu einer zierlichen weißen Stute, „habe ich Bellissima zugedacht.“ Ein flüchtiges Lächeln erhellte seine Gesichtszüge. „Der Name passt. Sie ist gefügig, ohne träge zu sein, und hat eine ausgezeichnete Abstammung. Ich war mir nicht sicher, wie gut Sie reiten.“
„Ich halte mich ganz passabel im Sattel“, erklärte sie mit einem schalkhaften Lächeln.
„Ich nehme an, Sie reiten wie eine Amazone, und ich müsste mich schämen, Ihnen ein allzu frommes Pferd zugeteilt zu haben.“
Callie lachte leise und streichelte die samtige Schnauze der Stute. „Ich sehe, dass Bellissima keineswegs lammfromm ist. Habe ich recht, meine Schöne?“ Sie wandte sich wieder an Bromwell. „Vielen Dank, Mylord. Sie haben eine ausgezeichnete Wahl getroffen, und ich werde den Ausflug mit ihr genießen.“
„Das hoffe ich.“ Nach einer Pause fügte er hinzu: „Bitte nennen Sie mich Bromwell oder Brom, wie alle meine Freunde.“
Callie sah ihn an. Seine Worte machten sie ein wenig schwindelig und atemlos. „Aber für solche Vertraulichkeiten kennen wir uns nicht gut genug, Mylord.“
„Wirklich nicht?“ Er heftete den Blick auf ihren Mund, und sie wusste, dass er an ihre Küsse dachte und an die Leidenschaft, die diese Zärtlichkeiten in ihnen geweckt hatte. Er löste den Blick von ihren Lippen und meinte leichthin: „Ich hoffe, das wird sich bald ändern.“
Er trat einen Schritt zurück und streckte ihr die Hände entgegen. „Erlauben Sie mir, Ihnen in den Sattel zu helfen.“ Damit umfing er ihre Mitte, schwang sie in den Sattel und machte sich daran, die Steigbügel zu justieren. Dabei streifte er die Handschuhe ab, um besser arbeiten zu können.
Callie spürte, wie sein Arm ihr Bein streifte, selbst durch die Falten des schweren Samtrocks und den Reitstiefel spürte sie die Berührung. Gespannt beobachtete sie seine Hand, als er den Gurt festzog. Lange sehnige Finger, die geschickt hantierten. Sie malte sich aus, wie diese Finger ihren Arm entlang über ihren Hals nach oben glitten und ihr Gesicht umfingen.
Hastig wandte sie sich ab, senkte den Blick auf ihre Hände, die sich an den Zügeln festklammerten. Sie spürte, wie ihr die Hitze in die Wangen stieg. Wie absurd, schalt sie sich, auf welch verbotene Abwege ihre Gedanken in Bromwells Nähe gerieten. Sie fürchtete, dass er etwas ahnte. In seinen Augen lag etwas Wissendes. Vielleicht entsann er sich ihrer Reaktion auf seine Küsse, die sie in einer Art erwidert hatte, die nicht anders als schamlos zu bezeichnen war.
Hielt er sie möglicherweise für eine Frau mit Erfahrung auf diesem Gebiet? Hegte ihr Bruder eine Abneigung gegen Bromwell, weil er seinen Ruf als Frauenheld kannte? Als Schürzenjäger und Wüstling? Machte Bromwell ihr den Hof, weil er ihr unterstellte, eine Frau mit lockerer Moral zu sein? Schuldbewusst dachte sie, dass sie ihm ja auch reichlich Grund geben hatte, sie dafür zu halten. Schließlich hatte er sie mitten in der Nacht ohne Begleitung auf der Straße aufgelesen. Und dann hatte sie sich von ihm küssen lassen, ohne sich zur Wehr zu setzen – im Gegenteil, sie war förmlich in seinen Armen geschmolzen.
Beklommenheit legte sich wie ein kalter Schatten um ihr Herz, obwohl sie nicht glauben wollte, dass dies der Grund seiner Aufmerksamkeiten war. Ein Frauenheld hätte wohl kaum seine Nachmittage und Abende damit verbracht, eine behütete junge Dame zu umwerben. Ein Mann, dem lediglich an der Eroberung einer lüsternen Frau gelegen war, hätte mit tausend anderen leichteres Spiel gehabt. Trotz alledem
Weitere Kostenlose Bücher