MASKENBALL UM MITTERNACHT
zwischen ihr und Lady Daphne, schoss es ihr durch den Sinn. Daphne kokettierte schamlos mit einem fremden Mann. Vermutlich hätte sie mit jedem geflirtet, der auf ihre Verlockungen eingegangen wäre. Während Callie sich nicht vorstellen konnte, diese machtvollen Gefühle für einen anderen Mann zu empfinden. Es war Lord Bromwell, und nur er, der diesen Sturm der Leidenschaft in ihr entfachte.
Sie holte stockend Atem, wieder hatte sie das Gefühl, über einem Abgrund zu schweben, und diesmal war der Gedanke noch furchteinflößender. Wenn sie jetzt strauchelte und zu Fall kam, würde sie nicht nur ihre Jungfräulichkeit verlieren, sondern auch ihr Herz.
Bromwell und Callie sprachen wenig auf der Heimfahrt. Ihre Gedanken kreisten um die Leidenschaft, die immer noch zwischen ihnen glühte. Keiner wollte darüber sprechen, beide waren vollauf damit beschäftigt, ihren inneren Aufruhr zu bezähmen.
Er brachte sie bis zu Francescas Haustür, wartete, bis der Butler öffnete, um sich zu verabschieden. Dann eilte er mit grimmiger Miene die Stufen hinunter zur Mietdroschke und erteilte dem Kutscher Anweisung, zurück in den Vergnügungspark zu fahren.
Bromwell strebte mit energischen Schritten auf das Separee seiner Schwester zu. Dort empfing ihn eine Szene betrunkener junger Männer, einer beschwipsten, albern kichernder Miss Swanson und einer anderen jungen Dame, die er noch nie gesehen hatte. Seine Schwester saß auf dem Schoß eines fremden Mannes, der dreist ihren entblößten Hals küsste.
Zum zweiten Mal setzte er mit einem elastischen Schwung über die Balustrade, statt die Loge durch die hintere Tür zu betreten, näherte sich zielstrebig seiner Schwester, ergriff sie am Ellbogen und zog sie unsanft auf die Beine.
Sie drehte sich mit einem wütenden Schrei nach ihm um und erschrak. „Brom!“ Sie fasste sich erstaunlich rasch. „Da bist du ja, mein Lieber. Ich fragte mich schon, wo du so lange bleibst.“
„Hast du dich auch gefragt, wo Lady Calandra bleibt?“, fragte er barsch.
„Ich nahm an …“ Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie ihm einen vielsagenden Blick zuwarf, „… dass sie bei dir ist.“
„Zu deinem Glück und dem dieser Trunkenbolde war sie tatsächlich mit mir zusammen“, schoss er zurück, in seinen Augen blitzte kalter Zorn.
Daphne blinzelte verdutzt und schwieg.
„Was soll denn das?“ Der Mann, auf dessen Schoß Daphne gesessen war, kam schwankend auf die Füße. „Was erlauben Sie sich? Ich sollte Sie fordern, in diesem Ton mit … mit der Dame zu sprechen.“
„Ich bin der Bruder dieser Dame und lasse mich nur von einem Gentleman zum Duell fordern. Typen Ihrer Sorte werfe ich mit einem Tritt in den Hintern zur Tür hinaus.“
„Was? Bei Gott, Sir!“ Der Fremde hob die Arme und nahm eine Position ein, die nur entfernt der Grundstellung eines Faustkämpfers ähnelte. „Sagen Sie mir das ins Gesicht! Das wagen Sie ja doch nicht.“
„Wenn ich nicht irre, habe ich es soeben getan“, antwortete Bromwell. Mit angeekelt verzogenen Mundwinkeln packte er den Kerl an den Rockaufschlägen und beförderte ihn mit einem kräftigen Schwung halb über die Brüstung der Loge, packte ein Bein des Trunkenbolds und kippte ihn kurzerhand über die Brüstung, bis er auf dem Kiesweg landete.
Dann näherte er sich den beiden anderen Männern, die noch am Tisch saßen und ihn mit glasigen Augen anstarrten. Beide sprangen auf, taumelten zur Hintertür und waren verschwunden.
„Vetter!“ Archie Tilford erhob sich und vollführte eine tadellose Verbeugung, die nur dadurch beeinträchtigt wurde, dass er sich zu weit vorbeugte und gezwungen war, sich an einem Stuhl festzuhalten, um nicht kopfüber auf den Bretterdielen zu landen. „Freut mich, dich zu sehen. Gut gemacht, diese Kerle hinauszubugsieren. Ich konnte sie nicht leiden.“
„Verdammt, Archie, wieso hast du nichts unternommen?“, fragte Bromwell aufgebracht.
„Tja …“ Tilford dachte ernsthaft über die Frage nach. „Handgreiflichkeiten liegen mir nicht. So etwas ist eher deine Sache.“
Bromwell schnitt eine angewiderte Grimasse und wandte sich an Mr. Pacewell und Mr. Sackville, deren modische Aufmachung mittlerweile reichlich derangiert wirkte. „Und ihr Jammergestalten! Sind denn alle hier völlig besoffen?“
Die drei schauten sich um und wechselten Blicke, als seien sie um eine Antwort verlegen.
„Du meine Güte“, stöhnte Bromwell voller Abscheu. „Archie, Du und deine Freunde, greift Mr. Swanson
Weitere Kostenlose Bücher