Maskenball
Kopf.
»Wissen Sie, hier gehen jeden Tag so viele Menschen ein und aus. Da können wir nicht über jeden Besucher Buch führen. Das wollen wir auch nicht.« Hübgens fühlte sich angegriffen und richtete sich demonstrativ in seinem Sessel auf.
»Nun, die Frage wird doch wohl erlaubt sein, oder?« Ecki sah von seinem Notizblock hoch.
»Natürlich. Das klang gerade nur so, als ob wir am Tod von Herrn Verhoeven beteiligt wären. Meinen Mitarbeitern kann ich keinen Vorwurf machen.«
»Schon gut. War Herr Verhoeven gehbehindert? Wir haben nicht weit von der Leiche einen Rollstuhl gefunden. Er gehört offenbar zu Ihrer Klinik.« Frank wurde ungeduldig. Er konnte es nicht ertragen, wenn er sich bei seinen Ermittlungen nicht völlig auf die Sache konzentrieren konnte.
»Gehbehindert? Im klassischen Sinn? Nein. Vielleicht etwas eingeschränkt in seinen Bewegungen. Aber ich kann mir gerne seine Krankenakte kommen lassen.«
»Es reicht, wenn Sie uns die Unterlagen nachher mitgeben.« Frank bemerkte, dass der Privatdozent protestieren wollte. »Herr Hübgens, so wie es aussieht, ermitteln wir in einem Mordfall. Da kann ich auf ärztliche Schweigepflicht oder andere Gepflogenheiten Ihres Standes keine Rücksicht nehmen. Wenn Sie möchten, lasse ich Ihnen aber auch gerne eine richterliche Anordnung zukommen.«
Fritz Theodor Hübgens hob nachlässig die Hand, was so viel bedeuten sollte wie »Geschenkt, nicht der Rede wert«.
»Wer hat Hans-Georg Verhoeven eingewiesen?«
»Ich nehme an, sein Hausarzt. Wie gesagt, so genau kenne ich die Unterlagen auch noch nicht.«
»Hat Herr Verhoeven auch anderen Besuch bekommen, außer seiner Tochter?«
Der Arzt hob bedauernd die Schultern. »Da fragen Sie mich zu viel. Vielleicht weiß die Stationsärztin etwas.«
»Ist Ihnen sonst irgendetwas aufgefallen in diesen Tagen? Etwas Ungewöhnliches, etwas das Sie stutzig gemacht hat?« Ecki hatte das Gefühl, dass der Chefarzt ihnen keine große Hilfe war oder sein wollte.
»Wie gesagt, unser Betrieb hier läuft ohne große Komplikationen ab. Unser Team ist eingespielt, damit meine ich meine Ergotherapeuten genauso wie das Pflegepersonal und die Ärzteschaft. Na ja, das betrifft zumindest die meisten von uns.«
Ecki wurde hellhörig. »Wie meinen?«
»Na ja, unser Oberarzt Köhler ist schon etwas merkwürdig. Besonders in letzter Zeit. Kommt oft zu spät, meldet sich überraschend krank. Beschwerden seitens des Personals und von einigen der Patienten über seinen rüden Umgangston habe ich auch schon auf meinem Schreibtisch gehabt.«
»Und wo ist dieser Oberarzt – Köhler – jetzt?« Ecki sah den Arzt aufmerksam an.
»Oberarzt Dr. Helmut Köhler hat sich heute Morgen krankgemeldet. Besser gesagt, seine Frau hat angerufen. Er fühle sich nicht sonderlich wohl und müsse ein paar Tage ausspannen, hat sie gesagt. Und dass er an die See fahren wollte.«
»So, so, ausspannen, an die See fahren. Jetzt im Januar?« Ecki stutzte. »Und das kommt Ihnen nicht merkwürdig vor, Herr Dr. Hübgens?«
»Nicht bei Dr. Köhler. Ich denke, er hat ein typisches Burn-out-Syndrom. Kein Wunder in unserem Job. Früher oder später erwischt es jeden von uns einmal. Wissen Sie, wenn Sie jeden Tag mit den Schrecken des Alters konfrontiert werden, ist es schwer, an den gesunden Menschen zu glauben.« Hübgens hielt inne. »Sie glauben doch nicht etwa, dass Oberarzt Köhler etwas mit dem Mord an diesem Patienten, an Hans-Georg Verhoeven, zu tun hat? Nein. Nicht Dr. Köhler. Ich bitte Sie, meine Herren. Er ist schließlich Mediziner und hat einen uns allen heiligen Eid geschworen.«
»Und was war mit Dr. Mengele? Hatte er keinen Eid abgelegt?«
Der Chefarzt der Geriatrie, Privatdozent Dr. Fritz Theodor Hübgens, fuhr erneut in seinem Sessel auf und schlug mit der rechten Hand auf die Armlehne. »Nun gehen Sie eindeutig zu weit, meine Herren!«
»Beruhigen Sie sich. Mein Kollege Eckers wollte nur zum Ausdruck bringen, dass man auch als Arzt Leben vernichten kann. Wenn man es für sich als unwert erkannt hat. Und Sie haben eben selber gesagt: Sie haben jeden Tag mit den Schrecken des Alters zu tun. Da kann man sich als Mediziner doch schon die Frage stellen, wo die Grenze ist zwischen Vegetieren und Leben, oder? Aber genauso gut hätte mein Kollege nach einer überforderten Schwester oder einem durchgeknallten Pfleger fragen können.« Frank wollte das Thema wechseln. »Können Sie uns jetzt bitte das Zimmer von Herrn Verhoeven zeigen?«
Für
Weitere Kostenlose Bücher