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Maskenball

Maskenball

Titel: Maskenball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Kuesters
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ansonsten kurz geschnittenen Haar im Nacken ein dünnes geflochtenes Zöpfchen trug. Er lächelte die alte Dame aufmunternd an und hielt sie am Arm fest. »So, Frau Corsten, da wären wir. Der Bus fährt heute nicht bis Eicken. Hier ist schon Endstation. Außerdem ist die Messe schon vorbei. Kommen Sie, ich bringe Sie wieder auf ihr Zimmer.« Der Pfleger bemerkte die erstaunten Blicke der beiden Beamten. »Kein Anlass zur Sorge. Das Spiel spielt Frau Corsten jeden Tag mit uns. Wir müssen nur aufpassen, dass sie uns nicht tatsächlich eines Tages entwischt. Gell, Frau Corsten?« Er senkte seine Stimme ein bisschen. »Die Dame ist schon etwas verwirrt. Sie denkt jeden Tag, dass Sonntag ist und sie zur Kirche nach Eicken muss. Auf Wiedersehen.« Im Weggehen sprach er beruhigend auf die alte Frau ein, die ihm wie ein kleines Kind fröhlich plappernd folgte.
    Frank sah den beiden nachdenklich nach.

    Kaum saßen Frank und Ecki wieder in ihrem Wagen, war Ecki nicht mehr zu halten. »Was fällt diesem Hübgens und seiner Truppe eigentlich ein? Das stinkt doch zum Himmel. Die versuchen doch nur, etwas zu vertuschen. So ein Quatsch. Ich sage dir, da ist was faul.«
    »Beruhige dich. Auch die werden wir schon noch knacken.«
    »Vielleicht hat Köhler nichts mit dem Mord zu tun. Vielleicht haben wir den wahren Täter eben gesehen und hätten den Pfleger festnehmen müssen. Vielleicht hat Köhler die Tat beobachtet und wurde vom Mörder schon beseitigt. Ja, vielleicht ist Köhler längst tot.« Ecki steckte schon bis über beide Arme in den Ermittlungen.
    »Vielleicht.« Frank bog mit ihrem Mondeo am Eingang des Klinikgeländes Richtung Stadtmitte ab. »Vielleicht. Komm, leg mal die neue CD von Bernard Allison auf.«
    Ecki verzog das Gesicht als habe er in eine Zitrone gebissen, sagte aber nichts und suchte auf der Rückbank des Mondeos nach der richtigen CD. Bläsersätze waren ihm ein Gräuel, mal abgesehen von seinem Lieblingstrompeter Stefan Mross. Was waren schon Jazztöne gegen Stefans Heilige Berge, sinnierte Ecki still für sich, als er endlich die gesuchte CD fand und widerstrebend in den CD-Player schob. Aber zum Glück war es bis zum Präsidium ja nicht mehr allzu weit.

VIII.
    Sein Schlafanzug war durchgeschwitzt. Auch das Laken und das Oberbett waren feucht. Sein Herz raste. Zuerst wusste er wieder nicht, wie spät es war. Nur langsam begriff er seine Umgebung. Das Mondlicht schimmerte schwach durch die Ritzen der nicht ganz heruntergelassenen Jalousie. Er fror, obwohl er seine Decke fest um sich geschlungen hatte. Sie bot keinen Schutz. Er fühlte sich nackt und ausgeliefert. Er legte sich auf die Seite. Seine Finger krampften sich um den Stoff seines Kopfkissens. Er konzentrierte sich, um mit aller Kraft seine Augen offenzuhalten. Nur nicht wieder einschlafen, lieber auf den Tag warten. Wenigstens für ein paar Stunden verscheuchte das Licht die Dämonen. Denn er wusste, sie lauerten im Schutz der Dunkelheit, warteten darauf, ihn wieder anspringen zu können. Er zitterte. Er hatte Angst, Todesangst. Jede Nacht dieselben Bilder. Jede Nacht. Dieser Schmutz, diese kratzende Jacke. Er hatte das Gefühl zu ersticken. Sein Atem ging ganz flach. In seinem Inneren hörte er wieder dieses Klopfen. Es soll endlich aufhören, er schrie es in sich hinein. Aufhören, bitte, bitte, aufhören. Kalter Schweiß rann in seine Augen, sie brannten wie Feuer.
    Es gab kein Erbarmen. Sie zogen ihn aus seinem Verschlag hervor, zerrten und schleiften ihn an den Armen zu dem Baum in der Nähe. Er wehrte sich, bitte, bitte, ich gehöre doch zu euch. Lachen, hässlich meckernd, wie irre. Nein, nein. Lasst mich. Aber immer nur dieses irre Lachen. Er fühlte sich schmutzig. Zu lange hatte er sich nicht waschen können. Dabei hasste er Schmutz. Tagelang immer in diesem dreckigen, feuchten Loch. Er hatte es selbst graben müssen. Wie die anderen.
    Seine Mutter hatte ihm zuvor ein letztes heißes Bad eingelassen. Dann hatte er fort gemusst. Er hatte sich gewehrt, nicht gewusst, wohin sie ihn bringen würden. Er hatte sich in seinem Zimmer an seiner Bettdecke festgekrallt, wie gelähmt, aber es hatte nichts genutzt. Zum Abschied hatte seine Mutter ein wenig Proviant gepackt. Als könne sie den Abschied damit hinauszögern. Er hatte nicht lange gereicht. Zur Erinnerung blieb ihm ein Stück Einpackpapier, das nach geräucherter Wurst gerochen hatte. Bis es nass war, nass von diesem dreckigen Loch. Sein Andenken war mit Schmutz besudelt.
    Die Angst

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