Maskenball
sich?« Fritz Theodor Hübgens war aufgesprungen. »Sie gehen entschieden zu weit, meine Herren. Wollen Sie etwa unterstellen, dass in der Hardterwald-Klinik Patienten umgebracht werden? Außerdem sind die unsäglichen Zeiten von Euthanasie und Rassenhygiene – gottlob – vorbei. Ich habe Ihnen bereits gesagt, ich lege meine Hand ins Feuer für meine Mitarbeiter.« Wütend nahm der Chefarzt wieder Platz. »Bitte gehen Sie jetzt. Wir haben wirklich wichtige Dinge zu besprechen. Und im Übrigen können Sie mit einem entsprechenden Beschluss jederzeit unsere Unterlagen einsehen. Ihr Verhalten ist unerhört.«
Frank hob die Hände. »Niemand will Ihnen etwas unterstellen. Wir tun nur unsere Arbeit. Ich muss Sie enttäuschen, denn noch können wir nicht gehen. Hat jemand von Ihnen eine Ahnung, wo sich Ihr Kollege Köhler aufhält? Kennt ihn jemand persönlich? Über den Dienst hinaus?«
Wieder meldete sich Dr. Jürgen Krause. »Köhler war, äh, Köhler ist ein Einzelgänger. Ein ausgezeichneter Geriater, ja, aber sehr in sich gekehrt. Er erzählt nie viel über persönliche Dinge. Ich habe oft Dienst mit ihm. Aber wenn ich so recht überlege, ich weiß eigentlich gar nichts über ihn. Nur, dass er einen kleinen Sohn hat, Leon. Und dass er in Breyell in einem umgebauten Bauernhaus wohnt.« Krause machte eine kleine Pause. »Wissen Sie, wir haben einen sehr anstrengenden Beruf. Da bleibt wenig Zeit für Privates.«
»Und Sie?« Frank sprach die Schwestern direkt an.
Die drei Frauen schüttelten fast synchron den Kopf. »Wir haben nur über fachliche Dinge gesprochen.« Die dunkelhaarige Schwester lehnte sich zurück und sah Frank dabei offen ins Gesicht.
»Ich möchte Sie bitten, sich in den nächsten Tagen zu unserer Verfügung zu halten. Wir haben sicher noch mehr Fragen an Sie, die wir klären müssen.« Frank machte Ecki ein Zeichen zum Aufbruch. »Helmut Köhler hat sicher ein eigenes Zimmer. Ich möchte Sie bitten, es nicht zu betreten und nichts wegzunehmen. Meine Kollegen von der Spurensicherung werden sich das Zimmer demnächst einmal genauer ansehen.« Obwohl es noch viel zu früh für eine Durchsuchung des Büros von Köhler war und es in Wahrheit auch noch keinen konkreten Grund dafür gab, konnte und wollte Frank sich den Hinweis nicht verkneifen..
»Das ist doch …« Den Rest verschluckte Chefarzt Dr. Fritz Theodor Hübgens vor lauter Empörung.
»Sie glauben doch nicht etwa, dass unser Kollege etwas mit dem Mord zu tun hat?« Auch Oberarzt Jürgen Krause war sprachlos.
Frank hatte die medizinische Runde vor ihm richtig eingeschätzt. Der Satz platzte wie eine Bombe. Frank hoffte, dass durch die ausgelöste Verwirrung etwas Brauchbares an die Oberfläche gespült würde Die beiden Ermittler verabschiedeten sich, ohne die Frage zu beantworten. Sie ließen eine aufgeregt diskutierende Klasse weiß gekleideter Pennäler zurück.
»Komm, wir nehmen den Aufzug.« Ecki blieb vor der dunkelgrauen Schiebetür stehen und drückte den Knopf mit dem Abwärtszeichen.
Während sie an der Aufzugtür warteten, kam aus einem Seitengang eine weißhaarige Frau auf sie zu. Sie trug einen dicken Wintermantel, der der schmalen Gestalt fast bis zu den Knöcheln reichte. Um die Schultern hatte die Seniorin einen pastellfarbenen Schal gelegt. Und auf dem Kopf trug sie einen kleinen Hut, der vielleicht vor 35 Jahren modern gewesen war. »Nehmen Sie mich mit?« Sie lächelte. Ihre leise Stimme klang freundlich.
»Aber gerne. Bitteschön.« Ecki trat einen Schritt zur Seite, als die Aufzugtür sich zur Seite schob.
Nahezu geräuschlos bewegte sich die enge Aufzugkabine Richtung Erdgeschoss. Frank musterte die alte Frau von der Seite. Für ihr Alter erstaunlich aufrecht stand sie neben ihm. Als sein Blick an ihrem Mantel entlang glitt, glaubte er seinen Augen nicht zu trauen. An den kleinen nackten Füßen trug die sicher schon um die 80 Jahre alte Frau doch tatsächlich große karierte Pantoffeln. Frank musste an Heinz-Jürgen Schrievers denken, der ebenfalls diese Art Pantoffeln trug. Im Dienst, wohlgemerkt. Was ihn, und mittlerweile auch die Kollegen sowie den Polizeipräsidenten, nicht weiter störte
»Wissen Sie, ich muss nach Eicken zur Kirche. Wirklich nett, dass Sie mich noch mitgenommen haben.« Die alte Frau strahlte Frank an. Dabei legte sich ihr runzliges Gesicht noch mehr in Falten.
Bevor Frank etwas erwidern konnte, ging die Aufzugtür auf. Dort wartete ein großer kräftiger Pfleger, der zu seinem
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