Maskenschmuck (German Edition)

gedacht, dass Nicki vielleicht einen Freund gefunden hatte, und dies erst mal für sich behalten wollte. Sie hatte doch auch übertrieben viel Make-up benutzt, deutete das nicht darauf hin?
    Sie stand mit einem Becher Kaffee gedankenverloren am Fenster und sah auf die Straße. Da kam Lara auch schon viel zu schnell um die Ecke gebraust. Sie eilte ihr entgegen und hielt die Tür auf, damit Lara nicht klingelte.
    Rebecca zog sie hinter sich her: „Pscht! Komm gleich ins Wohnzimmer. Arne schläft noch. Wenn wir ihn brauchen, wecken wir ihn, aber er muss morgen geschäftlich nach Zürich fliegen, daher gönne ich ihm noch ein bisschen Schlaf.“
    Weinend fiel ihr Lara um den Hals: „Danke, dass ich gleich kommen durfte. Wenn man allein zu Hause wartet, malt man sich die schrecklichsten Dinge aus! Ich sah Nicki schon in Gedanken betrunken am Straßenrand liegen oder noch schlimmer – als Opfer eines Verbrechens.“
    Als nach einer Weile ihr Schluchzen weniger wurde, löste sich Rebecca von ihr: „Hier, trink erst mal eine Tasse Kaffee, und dann schieß los! Was ist eigentlich passiert? Warum ist sie nicht nach Hause gekommen?“
    Lara sammelte sich: „Das ist sozusagen der Höhepunkt nach längeren Querelen. Ich hatte in der  Klinik angerufen, Jan musste wieder Überstunden machen. Eigentlich hatten wir zusammen essen gehen und endlich mal wieder etwas Zeit miteinander verbringen wollen. Ich hatte so viele nagende Zweifel an unserer Beziehung in der letzten Zeit gehabt – doch davon später – ich war also nicht gerade gut drauf. Gerade als ich den Hörer auflegte, kam Nicki ins Wohnzimmer gestürmt und fing wieder an wegen ihres Piercings zu nerven. Ich stemmte mich wohl etwas unwirsch dagegen und beging dann den Fehler, sie nach einem Vorschlag für Lenas fünfundsiebzigsten Geburtstag zu fragen. Da sagt sie doch glatt: Praktisch denken, Särge schenken!“
    Rebecca konnte ein hysterisches Lachen nicht unterdrücken.
    Lara sah sie mit strafenden Blick an: „Du hast gut lachen! Ich fand das zu dem Zeitpunkt gar nicht komisch! Leider gab ich ihr spontan eine Ohrfeige – wie leid mir das jetzt tut, brauche ich dir wohl nicht zu sagen. Sie verschwand jedenfalls aufheulend aus dem Zimmer, nur um kurze Zeit später den Kopf durch die Tür reinzustecken und mir mitzuteilen, dass sie bei ihrer Freundin Julia übernachten würde. Ihre Anwesenheit in diesem Hause sei wohl nicht erwünscht, und mit meiner schlechten Laune würde ich ihr den ganzen Tag verderben. Sie sagte noch ein paar miese Dinge mehr, die möchte ich dir aber ersparen.“
    Lara seufzte: „Da saß ich nun mit schlechtem Gewissen allein zu Hause. Um halb zehn konnte ich mich nicht mehr länger zurückhalten und rief sie bei Julia an. Die fiel aus allen Wolken, weil sie schon seit einigen Wochen ein recht unterkühltes Verhältnis zu Nicki hat. Sie war ehrlich gesagt ziemlich schnippisch zu mir, erzählte mir dann nach einigem Bohren meinerseits aber, dass Nicki Kontakt zu richtig schrägen Typen an der Schule hat. Sie versteht darunter: schwarz und schlampig gekleidet, Zungenpiercings, Kiffen und ähnliches! Puh, ich mag gar nicht darüber nachdenken! Dann versuchte ich, Nicki auf dem Handy zu erreichen, aber das hatte sie abgeschaltet. Dann telefonierte ich alle anderen Freunde durch, ohne jeden Erfolg, tja, und da bekam ich langsam Angst.“
    „Das kann ich mir vorstellen“, sagte Rebecca mitfühlend, „was meint Jan denn dazu?“
    „Der fand es erst gar nicht so aufregend wie ich, er meinte, da habt ihr euch gegenseitig einfach hochgepeitscht. Nicki hätte eben ihre dramatischen Momente, genau wie ich. Man müsste sie zur Ruhe kommen lassen, sie würde schon zurückkommen. Pustekuchen, du siehst ja, sie ist nicht da und hat sich nicht gemeldet! Nachts um zwei wurde Jan dann auch unruhig, und seitdem ist er unterwegs und sucht sie, weil die Polizei sich erst nach vierundzwanzig Stunden Abwesenheit darum kümmert !“
    „Sie wird bestimmt bei irgendeiner Freundin sein, an die ihr nicht gedacht habt, oder vielleicht bei einem ihrer neuen Kumpels“, sie sah Laras aufgeschreckte Miene und versuchte, sie zu  beruhigen, „Du, so schlimm können die auch nicht sein, wenn sie bei Nicki auf der Schule in der Oberstufe sind. Julia findet sie vielleicht blöd, aber Nicki gehört nicht zu den Mädchen, die den Boden unter den Füßen verlieren. Nun erzähl mir endlich, warum du schon die ganze Zeit schlecht drauf bist. Wir haben zwar immer mal einen