Maskerade
anrufen konnte, warum sollte es nicht ebensogut von Philadelphia aus möglich sein? Eine Welle der Erregung ging über sie hinweg. Sie wußte sofort, daß sie es tun würde. Keine vernünftige Überlegung konnte sie davon abhalten, nicht einmal die Erwägung, daß er vielleicht herausfand, woher der seltsame Anruf kam. Mochte er vermuten und von ihr denken, was er wollte. Sie hatte Sehnsucht nach ihm. Sie war entschlossen, alles zu tun, um die Entfernung zwischen ihm und ihr zu überbrücken.
Sie rannte in ihr Zimmer, um ihr Geld nachzuzählen, und da die Telefonapparate auf dem Flur nur für Stadtgespräche eingerichtet waren, hastete sie die Treppe hinunter zu der kleinen öffentlichen Sprechzelle neben dem Besuchszimmer.
„Ich möchte ein Gespräch nach Bridgedale, Massachusetts anmelden“, rief sie in die Muschel und gab dann der Vermittlung Peters Nummer. „Kann ich bezahlen, ehe der Teilnehmer geantwortet hat?“ stammelte sie, fast atemlos vor Aufregung.
„Ja, das ist möglich“, kam es von der Vermittlung zurück.
Liz suchte ihre Münzen zusammen und ließ eine nach der andern in den Zahlspalt gleiten. Ihr Herz pochte wild. Gespannt wartete sie, bis sie das Klingeln in Peters Haus vernahm.
„Hallo?“ antwortete eine Stimme.
Es war aber nicht Peter. Seine kleine neunjährige Schwester Cathie hatte den Hörer abgenommen. „Hallo?“ rief Cathie noch einmal. Es klang freundlich und neugierig. Dann ein drittes Mal: „Hallo?“ Beim vierten Mal brüllte die Kleine aus voller Lunge: „Hallo?“ Dann knackte es in der Leitung. Aus! Cathie hatte aufgegeben und eingehängt.
Langsam legte Liz den Hörer auf die Gabel. Sie hatte ihr ganzes Kleingeld ausgegeben, und ihre absurde Idee hatte ihr nichts weiter eingebracht als einige Hallos von der neunjährigen Cathie van Giesen. Sie hätte am liebsten geweint, aber statt dessen stieß sie ein heiseres Lachen aus. Wie dumm sie sich wieder und wieder benahm!
8. KAPITEL
Penelope war überrascht, als jemand an ihre Tür klopfte. Sie hatte von ihrem Zimmer aus gehört, wie sich mit dem hellen Klicken der hohen Absätze das Haus geleert hatte. Eine Mitbewohnerin nach der anderen war über die Treppe zu ihrer Samstagabendverabredung hinuntergeklappert. Penelope hatte den dritten Stock bereits als leer betrachtet und mit ihm wohl den Rest des Heims, und sie konnte sich nicht vorstellen, wer da wohl bei ihr anpochte, es sei denn, daß jemand Zimmer 3 C mit einem anderen Raum verwechselte. Sie ging zur Tür und drehte den Schlüssel um. Da stand Liz Gordon und sagte: „Guten Abend, Penny!“
Erschrocken stotterte Penny darauf: „ Hmmmmmmm , guten Abend! Ich habe nicht gewußt, daß du zu Hause bist.“ Es war ihr klar, daß sie keine Zeit mehr hatte, alle ihre Land- und Seekarten zu verstauen. Sie hoffte, Liz sah sie nicht, obgleich dies ein unerfüllbarer Wunsch war, weil sie überall im Raum ausgebreitet lagen.
„Komm herein!“ lud sie die Kameradin ein und wurde knallrot vor Verlegenheit und Freude, denn sie hatte nicht erwartet, daß Liz noch einmal zu ihr käme.
Liz erwiderte mit entschlossener Stimme: „Ich muß ganz einfach mit irgend jemand sprechen. Ich weiß, daß du zu tun hast und daß ich dich störe, aber ich kann unmöglich noch länger allein in meinem Zimmer hocken und Fingernägel kauen.“ Einen Augenblick lang überlegte Penny, ob Liz sie wieder ins Kino lotsen wollte. Doch dann merkte sie, daß Liz sich geradezu aufreizend heiter gab, und sie vermutete, daß irgend etwas sie beschwerte. „Willst du dich nicht setzen?“ forderte Penelope die Kameradin höflich auf und räumte einen Stapel Landkarten vom Stuhl auf das Bett.
„Was tust du mit all den Karten?“ lachte Liz. „Und mit den geographischen Zeitschriften ?“
„Ach, es ist nur so ein Steckenpferd von mir“, stotterte das Mädchen und lief erneut glutrot an. Sie setzte sich auf den Bettrand, und als der Stapel Karten raschelnd auf den Boden glitt, war es ihr wie eine Erlösung, denn nun konnte sie beim Auflesen ihr Gesicht einigermaßen verbergen.
„Was für ein Steckenpferd, Kartographie etwa?“
„Nein.“ Penelope zögerte und setzte sich dann erneut aufs Bett. Ihre Hände verkrampften sich in ihrem Schoß. „Nein, ich schlage alles mögliche nach.“
„Was denn?“ interessierte sich Liz.
Es gab offenbar keinen Ausweg für Penelope. Mit einem kleinen Seufzer meinte sie: „Ich glaube, es klingt ein wenig verrückt. Ich versuche zu lernen, nun, eben alles.“
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