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Maskerade

Maskerade

Titel: Maskerade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Gilman Butters
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ihren Büchern und dem Zeichenblock, oder zuweilen ging sie durch den herbstlichen Park in die Bibliothek hinüber, um dort irgend etwas nachzuschlagen. Später, als sie dann in ihren Schlafanzug geschlüpft war und den Wecker gestellt hatte, dachte sie: Nun, war es schön heute abend, Peter? Hast du ihr die gleichen Worte gesagt wie mir einst? Ach, Peter, wie werde ich je noch einem andern glauben können, nachdem du mich so enttäuscht hast.
    Im ersten Brief, den sie von zu Hause bekam, hatte ihre Mutter bewußt Peter nicht erwähnt, und auch Liz beschränkte sich in ihrer Antwort auf belanglose Dinge. Sie berichtete, daß sie sich mit den andern Mädchen auf ihrem Stockwerk angefreundet hatte. „Wir sind alle sehr verschieden voneinander“, schrieb sie. „Melanie ist intelligent und schön — wohl auch ein wenig verwöhnt, glaube ich, während Cara sich sehr still und ruhig und fast unnahbar gibt. Die dritte habe ich erst einmal gesehen. Sie ist schrecklich scheu und schwer zugänglich, aber ich mag sie irgendwie.“ Und die vierte — Liz selbst — war im Begriff, sich wie eine Schlange eine neue Haut wachsen zu lassen, dachte sie weiter. Eine festere Haut als die erste, damit sie nicht wieder so leicht verletzt werden kann. Es tat sehr weh, sich diese neue Haut anzueignen. Zuweilen dachte sie zurück an jene Liz aus der Zeit vor Margaret, und dann mußte sie bitter auflachen. Wie selbstsicher war sie gewesen, und wie unerfahren wirkte sie bei dieser Betrachtung der Vergangenheit! Ihre Gedanken, sofern sie sich nicht mit Peter beschäftigt hatten, waren ausschließlich um ihre eigene Person gekreist. Wie ein schillernder Kokon hatte die Arglosigkeit sie umsponnen, während sie Listen für Leintücher, Kopfkissen, Bestecke und Möbel aufstellte und sich in Träumen ihre Zukunft vorgaukelte. So wichtig und glücklich hatte sie sich gefühlt! Und wenn Peter am Abend nach der Arbeit zu ihr kam, hatte seine Selbstsicherheit und frohe Zufriedenheit die ihre gar noch verstärkt. Ihre Welt war klein gewesen, klein und vollkommen. Sie hatte ganz einfach nur aus ihnen beiden bestanden. Alles andere zählte nicht.
    In diesem Neuland, in dem sie sich jetzt befand, zählten aber viele Dinge, und das trug dazu bei, daß die Vergangenheit verblaßte. Es war, als müsse sie noch einmal ganz neu zu leben lernen. Jeder Schultag mochte ihr vielleicht einen neuen Lebensinhalt vermitteln, aber wenn sie dann am Abend darauf zurückschaute, wurde sie sich des hektischen Eifers bewußt, mit dem sie sich in diesen Tag gestürzt hatte, krampfhaft entschlossen, alles aufregend, herrlich und spannend zu finden. Sie mußte erkennen, daß sich echte Erfüllung nun einmal nicht erzwingen läßt.
    Nun, zumindest gab sie sich Mühe, ihr Leben neu zu gestalten. Nichts konnte sie wirklich befriedigen, aber sie entwickelte sich zu einer Meisterin in der Kunst der Täuschung. Vielleicht war es so im Leben, daß jeder Mensch eine Maske trug, um seine wahren Gefühle zu verbergen. Vielleicht war das ganze Leben nichts anderes als eine einzige große Maskerade, bei der jeder nur ein kleines Zipfelchen seiner selbst zur Schau trug und den Teil der Persönlichkeit, auf den es ankam, verhüllte.
    Im dritten Stock war Penelopes Tür stets verschlossen, Caras war gelegentlich angelehnt, und die von Melanie stand immer einladend offen. Wenn Liz sich sehr einsam fühlte, schlenderte sie hinüber in Melanies Zimmer, wo meist zwei oder drei weitere Mädchen saßen. Melanie war jederzeit sehr gastfreundlich. Sie besaß eine elektrische Kochplatte, auf der sie jeden Abend heiße Schokolade bereitete, und nie hatte sie weniger als drei Schachteln Pralinen unter ihrem Bett stehen. Melanie besaß auch das allerneueste Kofferradio sowie einen Plattenspieler und einen nagelneuen Zeichentisch, der allerdings bisher nur als Abstellplatz für Radio und Kochplatte benutzt wurde.
    Als Liz an einem Freitagabend wieder einmal in Melanies Zimmer trat, trug sie jenes grüne Kleid, das sie bei ihrer ersten Begegnung angehabt hatte. Sie blickte gerade in den Spiegel und pinselte sich die Augenwimpern an.
    „Ganz allein?“ fragte Liz erstaunt.
    Melanie schaute mit einem heiteren Lächeln auf. „Oh, hallo! Mary Stopes und Betty Turner sind eben weggegangen, und ich mache mich für meine Verabredung zurecht. Übrigens, hast du gewußt, daß Betty Turners Onkel der Schauspieler Gaylord Turner ist? Ich wäre vor Erstaunen fast umgefallen, als sie mir das sagte. Ich habe ihn

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