Maskerade
du würdest dich freuen, deine Gedanken mit ihm auszutauschen. Ich habe mich also geirrt und bitte dich, mir nicht böse zu sein. Ich gehe jetzt gleich hinunter und sage Marc Bescheid, daß wir nicht mitkommen können.“
Penny schleppte sich zurück ins Zimmer. „Nein, das will ich nicht. Du sollst gehen.“ Ihre Stimme klang bittend: „Du darfst meinetwegen Marc nicht enttäuschen. Erkläre ihm nur einfach, daß ich daheim bleiben möchte.“
Liz schüttelte den Kopf. „Liebe Zeit, Penny, denkst du, ich würde heute abend ohne dich ausgehen? Natürlich nicht!“
„Aber du kannst und darfst deinem Freund jetzt keinen Korb geben, nachdem du schon zugesagt hast. Geh, bitte!“
„Es war ja eigentlich keine Verabredung, Penny.“ Liz sprach wie mit einem verstörten Kind. „Wir wollten bloß irgendwo ganz zwanglos Würstchen essen. Es hätte nicht lange gedauert. Aber ich sage einfach zu ihm, daß wir Kopfschmerzen hätten.“ Liz wandte sich zur Tür.
Unglücklich lauschte Penny ihren Schritten, die sich über den Flur entfernten. Der Gedanke, daß sie Liz um ein Vergnügen gebracht hatte, daß sie nicht mit diesem netten jungen Mann zusammenkam, der ihr vielleicht über den Kummer wegen Peter hinweghelfen konnte, entsetzte Penny. Es war gut möglich, daß er nach dieser Absage nie mehr anrief. Penny kam sich schrecklich selbstsüchtig vor und zudem schwach und feige. Sollte sie nicht doch ihren Entschluß plötzlich ändern? Es war ihr furchtbar, aber sie wußte, daß es keinen andern Weg gab. Es wäre ihr sonst unmöglich gewesen, weiter mit Liz befreundet zu sein oder vor sich selbst Achtung zu haben.
„Liz!“ preßte sie hervor, und als keine Antwort kam, etwas lauter: „Liz!“
„Was ist?“
Sie riß sich zusammen und lief Liz über den Flur nach.
„Liz, wenn es wirklich nur eine Stunde dauert...“
„ Hmmm ?“
„...dann komme ich mit. Ich möchte nicht, daß wegen mir jemand enttäuscht ist.“
„Penny, du brauchst dich nicht dazu zu zwingen.“
Sie schüttelte den Kopf. „Aber ich möchte es versuchen. Irgendwie werde ich es schon schaffen, hoffe ich, wenn es nur eine Stunde geht.“
„Gut, Penny“, sagte Liz weich. „Eine Stunde lang. Ich ziehe mich bloß ganz schnell um.“
Penny stelzte unbeholfen in ihr Zimmer zurück und warf dem Kleid an der Tür einen vorwurfsvollen Blick zu. Dann schickte sie sich mit einem tiefen Seufzer dazu an, in das blaugrüne Gewand hineinzuschlüpfen.
„Lippenstift!“ entschied Liz, als sie zurückkam, um Penny zu begutachten. Sie wühlte einige Sekunden lang in ihrer Handtasche und angelte einen blaßroten hervor. Mit gekonnten Strichen zog sie ihn über Pennys Mund. „Du, Penn! Du siehst verflixt hübsch aus!“
Penny lächelte traurig: „Ich gebe dir die Note eins für deine Bemühungen um meine äußere Erscheinung.“ Sie wußte, daß sie blaß und farblos war. Sie fühlte sich auch so. Als sie die Treppe hinunterschlich, dachte sie, daß es einem zum Tode Verurteilten auf dem Weg zum Hinrichtungsplatz so zumute sein mußte wie ihr jetzt. Aber irgendwo in ihr war ein kleiner, trotzigfester und sehr entschlossener Wille, der sie davon abhielt, sich umzudrehen, davonzulaufen und sich im Bad einzuschließen, solange es möglich gewesen wäre. Gleich darauf war es bereits zu spät zu jeder Flucht. Am Fuß der Treppe sah sie zwei junge Männer stehen, dunkel und groß der eine, etwas untersetzt und hellblond der andere. Soviel nahm sie in sich auf, ehe sie ihre Augen niederschlug und sie auf den Fußboden heftete.
Sie hörte Marc sagen: „Sie haben Ihre Wette verloren!“
„Welche Wette denn?“ fragte Liz.
„Sie haben länger als fünfzehn Minuten gebraucht. — Guten Abend, Penny“, begrüßte er sie nun freundlich. Liz besorgte die formelle Vorstellung, wobei Penny fühlte, daß sie sich nicht gerade hielt. „Sehr erfreut“, murmelte sie kaum hörbar.
„Wir gehen in die ,Quelle’ “, entschied Marc, „dort ist es hübsch und ruhig, und es gibt prächtige Pizza. Ich werde Penny unterhaken!“
Das war nett von ihm. Penny wagte einen kurzen scheuen Blick zu ihm hinauf. Er gefiel ihr. Sie bemühte sich, nun mit ihm Schritt zu halten, und es tat ihr wohl, daß er die Unterhaltung übernahm und fast ununterbrochen sprach, ganz so, als wüßte er, daß sie einige Zeit brauchte, um sich zu fassen.
„Sie finden ,Marcellos Quelle’ sicher gemütlich“, prophezeite er, als er sie behutsam am Ellenbogen berührte und um die Ecke
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